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2. April 2025Lesedauer 3 Minuten

Variable Vergütung: Notwendigkeit rechtzeitiger Zielvorgabe zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte mit Urteil vom 19. Februar 2025 (Az.10 AZR 57/24) die Gelegenheit, bislang strittige Fragen verspäteter Zielvorgaben einer variablen Vergütung zu klären. Arbeitnehmern steht regelmäßig ein Schadensersatzanspruch zu, wenn der Arbeitgeber schuldhaft gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung verstößt, einseitig Ziele vorzugeben, an deren Erreichung die Zahlung einer variablen Vergütung geknüpft ist (Zielvorgabe). Nach Auffassung des Gerichts verstößt ein Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung auch, wenn die Zielvorgabe erst mit erheblicher Verspätung erfolgt.

 

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine variable Vergütung hatte. Eine die variable Vergütung ausgestaltende Betriebsvereinbarung sah vor, dass durch den Arbeitgeber bis zum 1. März eines jeden Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen hatte. Die Zielvorgabe setzte sich aus Unternehmenszielen und individuellen Zielen zusammen. Die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils richtet sich dabei nach dem Erreichen der festgelegten Ziele.

Im zu entscheidenden Fall informierte der Geschäftsführer die Arbeitnehmer mit Führungsverantwortung erstmals Ende September darüber, dass für das laufende Jahr bezogen auf die individuellen Ziele eine Zielerreichung von 142% zugrunde gelegt werde. Mitte Oktober wurden dem klagenden Arbeitnehmer dann konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen übermittelt. Eine Festlegung individueller Ziele erfolgte nicht.

Der Arbeitnehmer vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber sei ihm aufgrund der verspäteten Zielvorgabe zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass eine noch im laufenden Bewertungszeitraum mitgeteilte Zielvorgabe rechtzeitig sei und der Kläger zudem allenfalls eine gerichtliche Ersatzbestimmung, aber keinen Schadenersatz verlangen könne. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht hatte indes Erfolg.

 

Entscheidung des BAG

Das BAG bestätigte die Berufungsentscheidung und sprach dem Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu. Der Arbeitgeber habe seine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Festsetzung von Zielvorgaben schuldhaft verletzt, indem er dem Kläger keine individuellen Ziele zugewiesen und die Unternehmensziele erst nach Ablauf von drei Vierteln der Zielperiode verbindlich mitgeteilt habe. Das BAG stellte fest, dass eine festgelegte Zielvorgabe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ihre Motivations- und Anreizfunktion erfüllen konnte. Trägt – wie im vorliegenden Fall – allein der Arbeitgeber die Initiativlast für die Zielvorgabe, komme zudem keine Kürzung des Schadenersatzes wegen eines Mitverschuldens des Arbeitnehmers in Betracht. Für die Höhe des Anspruchs sei anzunehmen, dass rechtzeitig vorgegebene Ziele erreicht worden wären. Sofern eine Zielerfüllung von mehr als 100% in Betracht kommt, könne auch die durchschnittliche Zielerreichung einer Vergleichsgruppe oder vorheriger Bemessungszeiträume herangezogen werden.

 

Praxishinweis

Arbeitgeber müssen künftig damit rechnen, dass Arbeitnehmer jedenfalls im Fall erheblich verspäteter Zielvorgaben unabhängig von ihrer Zielerreichung eine volle variable Vergütung durchsetzen können. Nicht abschließend geklärt ist weiterhin, ab wann eine erhebliche Verzögerung vorliegt. Arbeitgeber sollten daher auf die rechtzeitige Festlegung und Kommunikation von Zielvorgaben bis spätestens zum konkret bestimmten Stichtag oder – sollte kein Stichtag geregelt sein – bis spätestens zum Beginn des Bemessungszeitraums achten. Regelungen zu Zielvorgaben sind daraufhin zu überprüfen, ob sie klar bestimmen, ob und bis wann der Arbeitgeber die Ziele einseitig vorzugeben hat. Unklare Regelungen sollten zeitnah angepasst werden. Schließlich sollte die rechtzeitige Kommunikation einer klar formulierten Zielvorgabe beweissicher dokumentiert werden.