19. Jänner 2021Lesedauer 5 Minuten

Die GWB-Novelle kommt – Was lange währt, wird endlich...

Bald 15 Monate nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs tritt die 10. GWB-Novelle heute in Kraft.

Wichtigste Neuerungen sind die Einführung neuer Werkzeuge, um der Marktmacht in der digitalen Ökonomie Herr zu werden (Beiname „GWB-Digitalisierungsgesetz“), sowie erhebliche Änderungen in der Fusionskontrolle mit potentiell unmittelbaren Auswirkungen auf laufende M&A-Transaktionen.

Schließlich dient die Novelle auch der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der EU-Mitgliedstaaten für eine wirksamere Durchsetzung des Kartellrechts („ECN+ Richtlinie“).

Fit für das digitale Zeitalter

Erklärtes Ziel der Novelle ist, das deutsche Kartellrecht für die Herausforderungen und Probleme der Digitalisierung und digitalen Plattformwirtschaft zu stärken. Die neuen Regelungen sind der ambitionierte Versuch, die Marktmacht großer Digitalkonzerne zu beschränken.

Voraussetzung für die neuen Befugnisse des Bundeskartellamts unter § 19a GWB ist die Feststellung, dass das adressierte Unternehmen eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ hat. Bei dieser Feststellung berücksichtigt das Bundeskartellamt neben „normalen“ Kriterien der Marktbeherrschung, ob aufgrund von Netzwerkeffekten, Zugang zu Daten, Ressourcen sowie strategischer Positionierung auch auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auf anderen Märkten Einfluss genommen werden kann.

Wird dies bejaht, steht dem Bundeskartellamt ein neuer Instrumentensatz zur Verfügung, der marktbeherrschende Digitalunternehmen einer erheblich verschärften Marktaufsicht unterstellt. So kann untersagt werden, Produkte und Dienste miteinander durch Vorinstallation oder Datennutzungszustimmungen zu koppeln, oder eigene Angebote bei der Darstellung zu bevorzugen.

Es bleibt abzuwarten, ob das Bundeskartellamt die neuen Regelungen in der Praxis effektiv anwenden wird. Spannend wird hierbei auch das Zusammenspiel mit dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Digital Markets Act (DMA) sein, der ähnliche Ziele verfolgt und die deutschen Regelungen potentiell verdrängen wird. Ein Inkrafttreten des DMA ist allerdings frühestens Ende nächsten Jahres zu erwarten.

Fusionskontrolle: Erleichterungen für die M&A-Praxis

Signifikante Änderungen wurden darüber hinaus im Bereich der Fusionskontrolle vorgenommen.So wurden insbesondere die inländischen Umsatzschwellenschwerte in letzter Minute erheblich angehoben:

  Alle Beteiligten gemeinsam weltweit Ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland Ein weiteres beteiligtes Unternehmen in Deutschland
Alt EUR 500 Mio. EUR 25 Mio. EUR 5 Mio.
Neu EUR 500 Mio. (unverändert) EUR 50 Mio. EUR 17,5 Mio.

Dadurch werden viele Transaktionen, die bisher – aufgrund der eher niedrigen Umsatzschwellen in Deutschland – anmeldepflichtig gewesen wären, in Zukunft nicht mehr der Freigabe durch das Bundeskartellamt unterliegen. Insbesondere die zahlreichen Anmeldungen kleinerer Immobilientransaktionen dürften sich damit erledigen – eine durchweg begrüßenswerte Entwicklung.

Auch in laufenden M&A-Transaktionen kann die Anmeldepflicht bei Unterschreiten der Umsatzschwellen entfallen. In den meisten Fällen empfiehlt sich hier eine Rücknahme der Anmeldung, um die Gebühren des Bundeskartellamts zu senken.

Weitere Änderungen in der Fusionskontrolle sind:

  • Anpassung der Bagatellmarktklausel: diese wird von EUR 15 Mio. auf EUR 20 Mio. angehoben, wodurch die Untersagungsbefugnisse des Bundeskartellamts mit Blick auf kleine Märkte eingeschränkt werden.
  • Verlängerung der Frist für das Hauptprüfverfahren: statt wie bisher vier Monate, beträgt die Prüffrist für das Bundeskartellamt nunmehr fünf Monate.
  • Sukzessive Akquisitionsstrategien / sog. Remondis-Klausel: hiernach kann das Bundeskartellamt bestimmten Unternehmen für alle zukünftigen Übernahmen, die in einem bestimmten Sektor stattfinden, eine generelle Anmeldepflicht auferlegen, sofern das Zielunternehmen EUR 2 Mio. Umsatz erzielt und davon mindestens zwei Drittel auf Deutschland entfallen.
Bußgelder: Berücksichtigung von Compliance-Systemen

Erstmals wird ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass angemessene und wirksame Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen (Compliance-Systeme) bei der Festsetzung von Bußgeldern wegen Kartellverstößen zu berücksichtigen sind.

Bisher hatte das Bundeskartellamt im Einklang mit der Europäischen Kommission solche Systeme in der Praxis bei der Bußgeldzumessung nicht berücksichtigt. Als Argument wurde insoweit regelmäßig darauf verwiesen, dass das System versagt habe, wenn es zu einem Kartellverstoß gekommen sei. Angesichts der gesetzlichen Anordnung wird eine solche pauschale Ablehnung in Zukunft nicht derart einfach möglich sein. Im Gegenteil ist zu erwarten, dass Compliance-Systeme zu einer Bußgeldreduzierung führen, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass diese grundsätzlich wirksam sind.

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