23. Mai 2021Lesedauer 13 Minuten

Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) - Änderungen für kapitalmarktorientierte Unternehmen ab 1. Juli 2021

Der Bundestag hat am 20. Mai 2021 das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) in 2. und 3. Lesung in der Fassung des Regierungsentwurfs vom24. Februar 2021 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses vom 19. Mai 2021 verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, nach der Manipulation von Bilanzen von Kapitalmarktunternehmen (Wirecard-Skandal) das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts wieder herzustellen und zu stärken.

Das Gesetz, das in wesentlichen Teilen bereits am 1. Juli 2021 in Kraft treten soll, bringt auch Änderungen für die Corporate Governance und Abschlussprüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen und möglichen Handlungsbedarf für Aufsichtsrat und Vorstand mit sich.

Aufsichtsrat

Zusammensetzung des Aufsichtsrats (Ausweitung der Expertise auf dem Gebiet der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung)

Künftig muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet derRechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen; eine kumulative Erfüllung durch nur ein Mitglied des Aufsichtsrats ist nicht möglich (§ 100 Abs. 5 AktG n.F). Sachverstand setzt dabei nicht zwingend voraus, dass das Aufsichtsratsmitglied einem steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Beruf angehört, sondern kann auch durch entsprechende Weiterbildung erworben werden. Die neuen Vorgaben sind von allen Unternehmen vonöffentlichem Interesse gem. § 316a Abs. 1 HGB n.F. (PIE), also insbesondere kapitalmarktorientierten Unternehmen i.S.v. § 264d HGB, bei sämtlichen Neubestellungen ab 1. Juli 2021 zu beachten und müssen folglich bei der künftigen Kandidatensuche und Wahlvorschlägen an die Hauptversammlung berücksichtigt werden. Die Ämter vor dem 1. Juli 2021 bereits amtierender Mitglieder des Aufsichtsrats genießen Bestandsschutz für die Dauer ihrer Laufzeit.

Einrichtung eines Prüfungsausschusses

Ab 1. Januar 2022 ist für alle PIE die Einrichtungeines Prüfungsausschusses verpflichtend (§ 324 HGB n.F., § 107 AktG n.F., § 34 Abs. 5 SEAG n.F.). Diese Verpflichtung kann durch die Anordnungeines Zwangsgelds gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats in Höhe von bis zu 5.000 Euro durchgesetzt werden (§ 407 AktG n.F.). Anders, als nochim Regierungsentwurf vorgesehen, müssen dreiköpfige Aufsichtsräte hingegen keinen eigenen Prüfungsausschuss bilden, sondern gelten selbstals Prüfungsausschuss. Auch im Prüfungsausschuss muss mindestens ein Mitglied des Ausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet der Abschlussprüfung verfügen. Auch hier gilt jedoch, dass vor dem 1. Juli 2021 bestellte Mitglieder des Ausschusses ihre Mandate bis zum Ende ihrer Laufzeit fortführen können.

Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung

Ab 1. Juli 2021 gehört die Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung zu dem gesetzlich ausdrücklich normierten Aufgabenkatalog des Prüfungsausschusses (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG n.F.). Sofern der bestehenden Empfehlung in D.11 desDeutschen Corporate Governance Kodex bereits gefolgt wird, ergeben sich für den Prüfungsausschuss bzw. Aufsichtsrat insoweit keine Neuerungen.

Erweiterte Auskunftsrechte des Prüfungsausschusses

Ab 1. Januar 2022 kann jedes Mitglied desPrüfungsausschusses über den Vorsitzenden des Ausschusses unmittelbar bei den Leitern derjenigen Zentralbereiche der Gesellschaft, die in der Gesellschaft für die dem Prüfungsausschuss obliegenden Aufgaben nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG n.F. zuständig sind, Auskünfte einholen. Dazu zählt insbesondere das Risikomanagement und die interne Revision, ggf. auch der Compliance Officer. Der Vorstand muss vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses über solche direkten Anfragen unverzüglich unterrichtet werden (§ 107 Abs. 4 AktG n.F., § 34 Abs. 5 SEAG n.F.). Damit wird dem aktienrechtlichen Grundsatz Rechnung getragen, dass grundsätzlich der Vorstand der Adressat für ein Auskunftsverlangen des Aufsichtsrats ist. Die eingeholte Auskunft muss der Vorsitzende des Ausschusses allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses mitteilen.

Teilnahme des Vorstands an Sitzungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses

Wird der Abschlussprüfer als Sachverständiger zur Sitzung des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses zugezogen, darf der Vorstandab 1. Juli 2021 an dieser Sitzung nur teilnehmen, wenn der Aufsichtsrat bzw. der Ausschuss die Teilnahme für erforderlich hält (§ 109 Abs. 1 AktG n.F.). Durch diese Änderung soll die vertrauliche Kommunikation des Aufsichtsrats und des Ausschusses mit dem Abschlussprüfer gestärkt werden. Dabei bleibt es bei dem Grundsatz, dass es nach dem Aktiengesetz weder ein gesetzliches Teilnahmerecht noch eine gesetzliche Teilnahmepflicht der Vorstandsmitglieder an den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse gibt. Dies soll für den Fall der Zuziehung des Abschlussprüfers lediglich ausdrücklich imGesetz klargestellt werden.

Vorstand

Einrichtung eines Risikomanagementsystems und internen Kontrollsystems

Der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft ist ab 1. Juli 2021 zur Einrichtung eines im Hinblick auf den Umfang der Geschäftstätigkeit und die Risikolage des Unternehmens angemessenen und wirksamen Risikomanagementsystems und internen Kontrollsystems gesetzlich verpflichtet (§ 91 Abs. 3 AktG n.F., § 22 Abs. 3 SEAG n.F.). Bislang stand die Einrichtung dieser Systeme unter Anwendung der allgemeinen Sorgfaltspflicht abhängig von der individuellen Sach- und Risikolage im pflichtgemäßenErmessen des Vorstands. Künftig besteht einErmessensspielraum nur noch hinsichtlich des „Wie“, also der konkreten Ausgestaltung eines RMS und IKS, jedoch nicht mehr hinsichtlich der Frage, „ob“ solche Systeme eingerichtet werden.

Schärfere Sanktionen bei Abgabe eines falschen Bilanzeids

 Die Abgabe einer falschen Versicherung der gesetzlichen Vertreter von kapitalmarktorientierten Unternehmen, dass der jeweilige Abschluss und der(Konzern-)Lagebericht ein zutreffendes Bild vomUnternehmen liefern (sog. Bilanzeid), wird ab 1. Juli 2021 zu einer Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (oder einer Geldstrafe) geahndet werden kann (§ 331a HGB n.F). Auch leichtfertiges Verhalten ist strafbar, wobei sich der Strafrahmen dann auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe (oder Geldstrafe) reduziert.

Abschlussprüfung

Rotation des Abschlussprüfers

Die derzeit bestehende Option in § 318 Abs. 1a HGB, die Höchstlaufzeit von Mandaten zurAbschlussprüfung (externe Rotation) über zehn Jahre hinaus zu verlängern, entfällt für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen. Sofern von der Verlängerungsoption bereits Gebrauch gemacht wurde, gibt es eine Übergangsregelung: Prüfungsmandate können in diesen Fällen noch für bis zu zwei nach dem 30. Juni 2021 beginnende Geschäftsjahre an den bisherigen Abschlussprüfer erteilt werden, d.h. bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Geschäftsjahr muss der Prüferwechsel spätestens für die Abschlussprüfung für das Jahr 2024 erfolgen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen somit die Dauer des Prüfungsmandats des Abschlussprüfers vor dem Hintergrund der neuen Vorgaben prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Vorbereitungen für eine Prüferrotation treffen.

Unternehmen müssen sich zudem darauf einstellen, dass aufgrund einer Verkürzung der internen Rotation von bisher sieben auf jetzt fünf Jahre die Person des verantwortlichen Abschlussprüfers häufiger wechseln wird (§ 43 Abs. 6 WPO n.F.).

Höhere Bußgelder für Mitglieder des Prüfungsausschusses

Der Bußgeldrahmen für Ordnungswidrigkeiten von Prüfungsausschussmitgliedern bei einem Verstoß gegen Regelungen der Abschlussprüfungsverordnung (EU) Nr. 537/2014 im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit und der Bestellung des Abschlussprüfers wird von bisher 50.000 Euro auf 500.000 Euro erhöht (§ 334 Abs. 3 HGB n.F.).

Verbot weiterer Nichtprüfungsleistungen

Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers soll auch durch eine noch stärkere Trennung von Prüfungs- und Beratungsleistungen gestärkt werden.

Daher werden bisher ausgeübte Mitgliedstaatenwahlrechte zur Zulassung bestimmter Nichtprüfungsleistungen gem. Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 in § 319a HGB a.F. wieder zurückgenommen. Dies betrifft zum einen Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen, die sich auf den zu prüfenden Abschluss nicht „unmittelbar und nicht nur unwesentlich auswirken“ und zum anderen die Ausnahmeregelung zur Überschreitung der Honorarobergrenze für Nichtprüfungsleistungen (Fee Cap). Die bisherigen Erleichterungen sind letztmals auf alle gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussprüfungen für das vor dem 1. Januar 2022 beginnende Geschäftsjahr anwendbar.

Bilanzkontrollverfahren

Das Bilanzkontrollverfahren (Enforcement) wird insgesamt grundlegend reformiert, insbesondereendet zum 1. Januar 2022 die Zuständigkeit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und die Bilanzkontrolle wird dann einstufig allein durch die BaFin erfolgen, die zudem erweiterte Rechte und die Möglichkeit einer früheren Information der Öffentlichkeit erhält (§ 107 WpHG n.F.). Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 nicht abgeschlossene Prüfungen, die bei der DPR anhängig sind, werden von der BaFin fortgeführt.

Börsenzulassung

Die Rolle der Börsen bei der Überwachung und Sanktionierung von Verstößen gegen Zulassungsfolgepflichten, insbesondere im Zusammenhang mit der Finanzberichterstattung, wird gestärkt. So wird klargestellt, dass der Ausschluss eines Emittenten aus einem Teilbereich des regulierten Marktes mit zusätzlichen Pflichten (Qualitätssegment der Börse) möglich ist, wenn eine Voraussetzung für die Zulassung zu dem entsprechenden Teilbereich nicht mehr vorliegt (§ 42 BörsG n.F.). Sanktionsmaßnahmen der Börsen können zudem auf der Internetseite der Börse veröffentlicht werden (naming and shaming) (§ 50a Abs. 3 BörsG n.F.).

Print