
15. Juni 2021 • Gelesene 6 Minuten
Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II verabschiedetDer Bundestag hat am 11. Juni 2021 das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II) in 2. und 3. Lesung in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 15. Februar 2021 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 9. Juni 2021 verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, die Wirksamkeit der Regelungen des Ersten Führungspositionen-Gesetzes vom 24. April 2015 zu verbessern und den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen.
Das Gesetz, das grundsätzlich am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten soll, beinhaltet insbesondere Änderungen für börsennotierte und/oder mitbestimmte Gesellschaften.
Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand bei börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen
Künftig muss der Vorstand mit mindestens einem Mann und einer Frau besetzt sein, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Aktiengesellschaft
- Vorstand besteht aus mehr als drei Mitgliedern (maßgeblich ist die tatsächliche Besetzung, nicht die Satzungsregelung)
Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen das Beteiligungsgebot ist nichtig (§ 76 Abs. 3a AktG n.F.).
Das Mindestbeteiligungsgebot gilt erstmals für Bestellungen nach Ablauf einer Übergangsfrist von zwölf Monaten nach Inkrafttreten des FüPoG II. Bestehende Mandate können weiterhin bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden.
Für die Europäische Gesellschaft (SE) gibt es entsprechende Regelungen.
Erweiterte Festlegungen und Begründungspflicht für Nullgröße bei börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen
Soweit für den Vorstand nicht das neue Mindestbeteiligungsgebot bzw. für den Aufsichtsrat die bereits bestehende feste Mindestquote von 30 Prozent gilt, bleibt es für börsennotierte oder mitbestimmte (Mitbestimmung nach Drittelbeteiligungsgesetz genügt) Unternehmen sowohl für die erste und zweite Führungsebene als auch für den Vorstand und den Aufsichtsrat grundsätzlich bei der bereits 2015 durch das FüPoG I eingeführten flexiblen Frauenquote.
Neu ist allerdings, dass die Zielgrößen bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen müssen (§§ 76 Abs. 4 Satz 2, 111 Abs. 5 Satz 2 AktG n.F.). Maßgebliche Bezugsgröße für dieUmrechenbarkeit der Prozentangabe in eine volle Personenzahl soll nach der Gesetzesbegründung die Besetzung der jeweils betroffenen Führungsebene bzw. des Gremiums sein, wie sie im Zeitpunkt der Festlegung der Zielgröße für das Ende des Festlegungszeitraums angenommen wird. Eine im Festlegungszeitpunkt zulässige Prozentangabe soll nicht dadurch nachträglich unzulässig werden, dass sich die Besetzungszahl dann anders entwickelt als angenommen.
Neu ist außerdem, dass die Festlegung einer Zielgröße von Null (also keine Frau) künftig klar und verständlich begründet werden muss. Das betrifft sowohl die Festlegungen des Vorstands für die erste und zweite Führungsebene (§ 76 Abs. 4 Satz 3 und 4 AktG n.F.) als auch die Festlegungen des Aufsichtsrats für den Vorstand und den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 5 Satz 3 und 4 AktG n.F.). Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen.
Die Zielgröße Null bleibt somit grundsätzlich zulässig, soll jedoch nach dem Ziel des Gesetzes die Ausnahme sein. Die Entscheidung für die Zielgröße Null erfordert daher umfassende und sorgfältige Erwägungen. Die Begründung muss insbesondere
- erkennen lassen, welche Umstände der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat gewürdigt und wie er sie gewichtet hat,
- so ausführlich sein, dass sie eine gewissenhafte Entscheidung für die Öffentlichkeit plausibel macht (100 bis 150 Wörter sollten im Regelfall genügen),
- wiedergabefähig protokolliert werden,
- im gleichen Beschluss des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats wie die Festlegung der Zielgröße erfolgen.
Die Begründungspflicht gilt für alle Unternehmensformen, die auch bislang schon vom FüPoG I erfasst wurden (also neben Aktiengesellschaften insbesondere auch Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sowie die Europäische Gesellschaft (SE)), sofern es sich um Unternehmen handelt, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen.
Die Änderungen in §§ 76 Abs. 4, 111 Abs. 5 AktG n.F. gelten erstmals für Festlegungen, die ab dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen.
Erweiterte Berichtspflichten in der Erklärung zur Unternehmensführung
Die Erweiterung der Berichtspflichten in § 289f Abs. 4 Nr. 4 HGB n.F. (ggf. für den Konzern i.V.m. § 315d HGB) betrifft die neue Begründungspflicht bei der Festlegung einer Zielgröße von Null in Aufsichtsrat, Vorstand oder einer der beiden Führungsebenen (s.o.). Die Angabe der Begründung zusammen mit der Zielgröße soll gewährleisten, dass die Entwicklung des Frauenanteils an Führungspositionen in den einzelnen Gesellschaften durch eine breite Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann.
Gesellschaften, für die das neue Mindestbeteiligungsgebot für den Vorstand gilt (s.o.), müssen (analog zu der bereits bestehenden Berichtspflicht hinsichtlich der festen Mindestquote von 30 Prozent für den Aufsichtsrat) angeben, ob im Bezugszeitraum der Mindestanteil eingehalten wurde und wenn nicht, Angaben zu den Gründen machen (§ 289f Abs. 4 Nr. 5 und 5a HGB n.F).
Die neue Fassung von § 289f Abs. 4 HGB ist erstmals auf Lage- und Konzernlageberichte sowie Erklärungen zur Unternehmensführung für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden.
Von der Berichtspflicht erfasst werden auch nicht börsennotierte und nicht kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und Europäische Gesellschaften (SE) sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), sofern und soweit die Vorschriften über Zielgrößen auf sie anwendbar sind.
Verschärfte Sanktionen
Eine Zuwiderhandlung gegen die in den §§ 289f und 315d HGB normierten Berichtspflichten war bereits bisher in § 334 Abs. 1 Nr. 3 und 4 HGB sanktioniert. Allerdings wird künftig in § 334 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB n.F. klargestellt, dass eine Ordnungswidrigkeit auch dann vorliegen kann, wenn das zuständige Organ pflichtwidrig keine Zielgrößen und/oder keine Fristen für deren Erreichung festgelegt hat. Die Berichtspflicht wird also nicht etwa dadurch erfüllt, dass in der (Konzern-)Erklärung zur Unternehmensführung über die pflichtwidrigen Unterlassungen wahrheitsgemäß berichtet wird. Die Klarstellung bezieht ausdrücklich auch die künftig vorgeschriebenen Begründungen bei der Festlegung der Zielgröße Null mit ein. Werden diese Begründungen künftig unterlassen, bleibt eine Zuwiderhandlung gegen die Berichtspflicht auch dann möglich, wenn wahrheitsgemäß berichtet wird, dass keine Begründungen festgelegt wurden.
Sonderregelungen für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes
Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gelten künftig unabhängig von einer Börsennotierung oder der Geltung der paritätischen Mitbestimmung strengere Sonderregelungen (§ 393a AktG n.F.).
Recht auf zeitweisen Widerruf der Vorstandsbestellung in bestimmten Lebenssituationen
Ein Mitglied eines Vorstands, der aus mehreren Personen besteht, hat das Recht, den Aufsichtsrat um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann (§ 84 Abs. 3 AktG n.F.).
Der Aufsichtsrat muss diesem Ersuchen wie folgt stattgeben und die Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds zusichern:
- Mutterschutz: zwingend (d.h. ohne dass es einer Abwägung bedarf oder dem Verlangen des Vorstandsmitglieds ein wichtiger Grund entgegengehalten werden kann) für die Dauer der gesetzlichen Schutzfristen
- Elternzeit, Pflege oder Krankheit: grundsätzlich (es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor, aufgrund dessen von dem Widerruf abgesehen werden kann) für die Dauer von maximal drei Monaten; darüber hinaus bis zur maximalen Dauer von 12 Monaten liegt die Entscheidung im alleinigen Ermessen des Aufsichtsrats.
Gesetzliche und etwaige satzungsmäßige Vorgaben zur Mindestzahl der Vorstandsmitglieder stellen kein Hindernis für die Ausübung des Rechts des Vorstandsmitglieds dar (§ 84 Abs. 3, S. 6 und 7 AktG n.F.).
Die Regelungen gelten für alle Aktiengesellschaften unabhängig davon, ob sie börsennotiert oder mitbestimmt sind. Für die Europäische Gesellschaft (SE) gibt es entsprechende Regelungen.