
12. Januar 2022 • Lesedauer 4 Minuten
BGH schickt Verfahren zur Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung in die zweite Runde
Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich mit der Frage der Vertragsanpassung bei COVID-19-bedingter behördlicher Schließungsanordnungen. Anstatt eines Grundsatzurteils verwies der BGH die Sache an das Oberlandesgericht (OLG) zurück und schickte das Verfahren damit in die zweite Runde.
Lange war es still um das vielfach umstrittene Thema der Mietzahlungspflicht bei coronabedingter Geschäftsschließung. Einige erst- sowie zweitinstanzliche Gerichte setzten sich in der Vergangenheit mit der Frage auseinander, ob den Vermietern im Gewerberaum die Miete bei COVID-19-bedingter behördlicher Schließungsanordnungen in voller Höhe zusteht oder vielmehr den Mietern eine Reduzierung der Miete gewährt werden müsste. Dabei kamen die Gerichte mit unterschiedlichen Argumenten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Von einer Mietreduzierung in voller Höhe bis hin zu einer ungeminderten Mietzahlungspflicht war alles vertreten.
Der BGH befasste sich nun mit dem Fall des Textileinzelhändlers Kik. Kik auf Beklagtenseite wurde von deren Vermieter auf Bezahlung der zurückbehaltenen Miete für den Lockdown-Monat April 2020 verklagt. Das Landgericht (LG) Chemnitz hielt mit seinem Urteil vom 26. August 2020 (Az. 4 O 639/20) den Anspruch des Vermieters in voller Höhe für gerechtfertigt. Auf die Berufung des Mieters vor dem OLG Dresden hin entschied sich dieses Gericht am 24. Februar 2021 (Az. 5 U 1782/20) für eine Vertragsanpassung in Höhe von 50%. In seiner Begründung führte das OLG Dresden aus, dass eine gleichmäßige Risikoverteilung zwischen den Parteien gerechtfertigt sei. Eine Reduzierung der Kaltmiete um 50% für die Dauer der angeordneten Schließungen sei angemessen, da keine der Parteien die Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder gar vorhergesehen hätte. Der Vermieter legte daraufhin Revision beim BGH ein.
Der BGH hob mit seinem Urteil vom 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) die Entscheidung des OLG Dresden auf und verwies die Sache an dieses zurück. In der Begründung sorgte der BGH jedenfalls dahingehend für Klarheit, dass den Gewerberaummietern in Zeiten coronabedingter behördlicher Schließungen grundsätzlich ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB zustehe. Die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern würden, sei schwerwiegend gestört, so der BGH.
Eine Entscheidung zur Höhe der Anpassung wurde aber nicht getroffen, denn das Urteil des OLG Dresden sei nicht frei von Rechtsfehlern gewesen und habe deshalb unter Berücksichtigung der Anmerkungen des BGH erneut in der Sache zu entscheiden. Insbesondere habe das OLG Dresden die Umstände des Einzelfalls nicht abgewogen, sondern pauschal das Risiko der Schließung mit 50:50 bewertet. Die Einzelfallabwägung ist jedoch ein entscheidendes Kriterium der Risikobewertung nach § 313 Abs. 1 BGB, welche zu einem Vertragsanpassungsanspruch führen kann. Eine pauschale Risikobewertung werde dem § 313 BGB nicht gerecht, so der BGH weiter. In der Abwägung sollen laut BGH die konkret entstandenen Nachteile des Mieters durch die Geschäftsschließung und deren Dauer betrachtet werden. Entscheidend seien hierfür primär die Umsatzzahlen für die Zeit der Schließung. Hierbei müsse immer auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abgestellt werden. Ebenfalls seien die möglichen Maßnahmen der Mieter zu berücksichtigen, um die drohenden Verluste auszugleichen. Etwaige Vorteile der Schließung, wie staatliche Ausgleichszahlungen oder Versicherungsleistungen, seien darüber hinaus in Abzug zu bringen. Eine Existenzgefährdung fordere der BGH jedoch ausdrücklich nicht. Das OLG Dresden wird sich folglich nunmehr der Auswertung von Einzelfallkriterien widmen und anhand derer eine erneute Bewertung vornehmen.
Staatliche Ausgleichszahlungen (Corona-Hilfen) können im Übrigen ein wichtiges Argument in den Verhandlungen über Mietanpassungen spielen. Nicht selten sind die Mietzahlungen bereits in voller Höhe als Ausgaben des Mieters in den entsprechenden Anträge berücksichtigt. Bei einer (nachträglichen rückwirkenden) Mietanpassung müssen die Bescheide über Corona-Hilfen natürlich geändert und etwaige darauf entfallende Corona-Hilfen zurückgezahlt werden. Das kann einen immensen Verwaltungsaufwand für den Mieter bedeuten, insbesondere wenn es sich nicht zuletzt um einen „Nullsummenspiel“ aus nachträglicher Mietreduzierung gegenüber einer Rückzahlung der Corona-Hilfen handelt.