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22. März 2023Lesedauer 4 Minuten

Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf die Baubranche

Am 01. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz, in Kraft getreten. Es verpflichtet Unternehmen mit mindestens 3.000 (ab 2024 mit mindestens 1000) Mitarbeitenden zur Einhaltung diverser Sorgfaltspflichten, deren Befolgung dafür sorgen soll, dass menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in den Lieferketten der Unternehmen vorgebeugt, beendet oder minimiert werden. Auch für die Bau- und Projektentwicklungsbranche zieht das Lieferkettengesetz mit seinen strengen Anforderungen weitreichende Verpflichtungen nach sich. Zwar nicht im unmittelbaren Anwendungsbereich, sondern mittelbar, insbesondere durch die finanzierenden Banken, die – soweit sie vom Anwendungsbereich erfasst sind – das LkSG im Rahmen der Finanzierung einzuhalten haben.

 

Sorgfaltspflichten als Kernelement des Lieferkettengesetzes

Kern des Lieferkettengesetzes ist die Durchsetzung des Verbots von Kinderarbeit, Sklaverei oder Zwangsarbeit sowie dem Schutz der Umwelt, insbesondere hinsichtlich der Verwendung oder Lagerung gefährlicher Abfälle und Stoffe. Hierfür werden den Unternehmen entsprechende Sorgfaltspflichten auferlegt (§ 3 LkSG), insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagements. Dazu kommt unter anderem ein verpflichtender jährlicher Menschenrechte-Bericht, der vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen geprüft wird. Zuletzt bestehen weitere Sorgfaltspflichten, die sich auf unmittelbare und mittelbare Zulieferer beziehen.

Das Lieferkettengesetz macht seine Adressaten für ihre unmittelbaren Vertragspartner (unmittelbare Zulieferer) sowie alle weiteren Unternehmen, die Teil der Lieferkette sind (mittelbare Zulieferer), verantwortlich, soweit deren Leistungen erforderlich sind, um das Produkt oder die Dienstleistung zu vollenden. Dazu gehört insbesondere auch die Einholung vertraglicher Zusicherungen über die Einhaltung menschrechtsbezogenen und umweltbezogenen Erwartungen sowie deren angemessene Adressierung entlang der Lieferkette bei den unmittelbaren Zulieferern. Umfasst sind all diejenigen Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind.

 

Konsequenzen für die Bauindustrie

Aufgrund der hohen erforderlichen Mitarbeiterzahl dürften aktuell nicht viele Unternehmen der Bauindustrie dem Lieferkettengesetz unmittelbar unterfallen. Trotzdem hat das Gesetz für die Branche weitreichende Konsequenzen. Die im Hintergrund als Projektfinanzierer auftretenden Finanzinstitute haben oftmals über 3000 Arbeitnehmer und erbringen Dienstleistungen im Sinne des Lieferkettengesetzes. Lässt sich ein Projektentwickler ein Bauvorhaben von einem entsprechend großen Geldgeber finanzieren, ist er folglich ein Teil von dessen Lieferkette. Das vom Lieferkettengesetz verpflichtete Finanzinstitut ist also schon gesetzlich verpflichtet, mit Projektentwicklern und Bauunternehmern vertragliche Vereinbarungen über die Einhaltung der maßgeblichen Menschenrechts- und Umweltstandards zu treffen.

Unabhängig davon können große Kreditinstitute im Rahmen eines Bauvorhabens unmöglich die gesamte Liefer- und Dienstleistungskette, für die sie verantwortlich sind, überwachen. Projektentwickler müssen deshalb mit weiteren Vertragsklauseln zur Einführung von Kontrollmechanismen sowie deren risikobasierten Durchführung, mit denen die Finanzierer die Einhaltung ihrer Menschenrechtsstrategie überprüfen, rechnen. Umfasst sein können auch verpflichtende Schulungen und Kontrollmaßnahmen. Außerdem dürften Regelungen zu Sanktionsmaßnahmen bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflichten durch Zulieferer oder Dienstleister standardmäßig in den einschlägigen Verträgen enthalten sein. Projektentwicklern wiederum ist dringend zu empfehlen, ihrerseits mit nachgelagerten Teilen der Dienstleistungskette über die selbstständige Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu verhandeln. Es ist damit zu rechnen, dass vertragliche Überwälzungen der Pflichten bis zu den Herstellern von Baustoffen am Ende der Lieferkette zum Standard in den Vertragswerken der Baubranche werden.

Für alle an Bauvorhaben beteiligten Unternehmen empfiehlt es sich deshalb, sich frühzeitig darüber zu informieren, ob ihre Geschäftspartner unmittelbar oder mittelbar über die kreditgebenden Finanzdienstleistungsinstitute an das LkSG gebunden sind. Ist dies der Fall, ist es sinnvoll, präventive Kontrollen der eigenen Arbeitsabläufe und Wertschöpfungsketten vorzunehmen und ein etwaig schon bestehendes Risikomanagement dem Lieferkettengesetz entsprechend anzupassen, beziehungsweise die notwendigen Maßnahmen in die internen Arbeitsabläufe zu integrieren. Dies kann auch in Hinblick auf zukünftige Vertragsbeziehungen zuträglich sein, da eine zuverlässige Implementierung aller Anforderungen des Lieferkettengesetzes einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern darstellen kann.

 

Unionsweit sind noch strengere Regeln in der Planung

Auch aus einem weiteren Grund ist es für sämtliche Unternehmen der Baubranche lohnend, sich schon jetzt mit den Compliance-Pflichten des Lieferkettengesetzes intensiv auseinanderzusetzen und diese gegebenenfalls umzusetzen: Die EU-Kommission plant eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen, ähnlich dem deutschen gesetzgeberischen Vorstoß. Diese soll das deutsche Lieferkettengesetz inhaltlich verschärfen – geplant ist unter anderem eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen – und einen deutlich weiteren persönlichen Anwendungsbereich haben. In Zukunft müssen viele Unternehmen der Baubranche folglich damit rechnen, nicht nur vertraglich zur Einhaltung der Anforderungen des Lieferkettengesetzes verpflichtet, sondern sogar unmittelbar an die Richtlinie, beziehungsweise ihren nationalen Umsetzungsakt, gebunden zu sein.