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19. Mai 2023Lesedauer 17 Minuten

Neueste Entwicklungen zur Beendigung des Gewerberaummietvertrages aus wichtigem Grund und die Tücken des Schriftformverstoßes

Augen auf beim Pflichtverstoß! Die außerordentliche Kündigung des Gewerberaummietverhältnisses führt bisweilen schneller zum Verlust des Mietverhältnisses als den Parteien des Mietvertrages bewusst ist. Noch unverhoffter können Schriftformverstöße zur vorzeitigen Kündbarkeit gerade von langfristigen Gewerberaummietverträgen führen. Mit beiden Themen haben sich die aktuellen obergerichtlichen Entscheidungen des OLG Dresden und des KG Berlin befasst und zeigen wieder einmal mehr, dass eine gute anwaltliche Beratung sowohl im Rahmen der Vertragsgestaltung als auch im laufenden Asset Management unerlässlich ist.

Keine Gnade beim Zahlungsverzug – das starke Kündigungsrecht des Vermieters auch bei langjährigen Mietverhältnissen

Dem KG Berlin lag die Berufung einer Mieterin von Gewerberäumen vor, deren Mietverhältnis durch die Vermieterin auf Grund zweimonatigen Zahlungsverzugs außerordentlich gekündigt worden war. Ohne Erfolg machte die Mieterin geltend, dass die Kündigung rechtsmissbräuchlich und unwirksam sei, da die Mieterin jahrelang zuverlässig und pünktlich gezahlt habe. Nach Ansicht der Mieterin hätte die Vermieterin erkennen müssen, dass es sich beim Zahlungsverzug lediglich um ein Versehen gehandelt habe.

Dem erteilte das KG eine klare Absage (Beschluss v. 16.03.2023 – 8 U 178/22). Der Vermieterin stand nach § 543 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB das gesetzliche, außerordentliche Kündigungsrecht wegen Zahlungsverzuges uneingeschränkt zu, dessen Ausübung gerade keine vorherige Abmahnung voraussetzt. Eine solche kann nur dann ausnahmsweise erforderlich sein, wenn sich dem Vermieter geradezu aufdrängen muss, dass der Zahlungsrückstand nicht aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit auftritt, sondern auf Grund eines geringfügigen Versehens oder eines anderen Umstandes, den der Mieter offensichtlich nicht zu vertreten hat. Mit dem Beschluss rückt das KG die wirtschaftlichen Interessen des Vermieters klar in den Fokus und bestätigt die gesetzliche Wertung, die dem Vermieter eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges gerade in der Regel und nicht als Ausnahme ermöglicht. Die Frage, ob das Mietverhältnis bislang reibungslos verlief, ist für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung in diesen Fällen nicht von Relevanz. Der Brisanz eines entsprechenden Mietzahlungsverzuges und dessen klaren Konsequenzen sollten sich gerade große Gewerberaummieter bewusst sein.

Aussitzen ist keine Lösung – das Kündigungsrecht des Mieters bei fehlender Abhilfebereitschaft des Vermieters

Das OLG Dresden hatte über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Mieters von Gewerberäumen aus wichtigem Grund zu entscheiden (Urteil vom 25.01.2023 – 5 U 1239/22). Dieser hatte vorgetragen, dass wegen einer Fehlkonstruktion der Stromanschluss seines Nachbarn über seinen Stromzähler gelaufen sei und ihm daher unberechtigte Kosten in Rechnung gestellt worden seien. Trotz mehrfacher Aufforderung an den Vermieter, diesen Zustand zu beheben, hatte der Vermieter eine Abhilfe beharrlich verweigert und bliebt schlicht untätig. In der Folge hat der Mieter das befristete Mietverhältnis unter Berufung auf die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsparteien außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt.

Das OLG Dresden hat die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung bestätigt. Der zur Kündigung berechtigende wichtige Grund nach § 543 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortführung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder einer sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Der BGH-Rechtsprechung folgend geht das Gericht davon aus, dass Grundlage eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung jedwede Verletzung von Pflichten aus dem Mietvertrag sein kann. Im konkreten Fall ergab sich der Kündigungsgrund daraus, dass der Vermieter die berechtigte Anfrage des Mieters über Monate hinweg ignorierte und jegliche Abhilfe verweigerte. Für den Mieter hätte es mit Blick auf die Gesamtumstände keine positive Aussicht mehr gegeben, dass der Vermieter dem bemängelten Zustand abhelfen würde. Durch den Grad an Verschulden des Vermieters sei im konkreten Fall das Vertrauensverhältnis derart zerrüttet worden, dass dem Mieter eine außerordentliche Kündigung möglich war.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des OLG Dresden nicht zu beanstanden. Wieder einmal zeigt sich, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 543 BGB zwar stark von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt, eine voreilige Gewichtung bezüglich der aus dem Mietverhältnis resultierenden Vertragspflichten durch die Parteien jedoch besser nicht vorgenommen werden sollte. Beschwerden von Mietern frühzeitig ernst zu nehmen und deren Berechtigung prüfen zu lassen, sollte für Vermieter mit Blick auf das eigene Interesse an der Beständigkeit des Mietverhältnisses Priorität haben.

Auf die Wesentlichkeit kommt es an – das schnelle Risiko der Kündbarkeit langfristiger Mietverträge wegen Schriftformverstoßes

Sowohl das OLG Dresden als auch das KG Berlin haben sich in ihren jeweiligen Entscheidungen mit den Anforderungen und der Reichweite des Schriftformerfordernisses des § 550 BGB befasst. Die Frage nach der Einhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses bietet immer wieder Anlass für Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Befristungen von Mietverträgen und dem Risiko einer vorzeitigen Beendigung vor allem von langfristigen Gewerbemietverträgen.

Die für die wirksame Befristung von Mietverträgen erforderliche gesetzliche Schriftform ist nur dann gewahrt, wenn sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere der Mietgegenstand, die vereinbarte Miete sowie Dauer und Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von den Mietvertragsparteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Dies gilt nicht nur für den Abschluss des Hauptmietvertrages, sondern auch für nachträgliche Vertragsänderungen. Nur unwesentliche Änderungen von nebensächlicher Bedeutung sind von diesem Schriftformerfordernis ausgenommen. Haben die Parteien eines befristeten Mietvertrags nun aber eine solche wesentliche Vertragsänderung mündlich vorgenommen und entfaltet die entsprechende Vereinbarung eine Wirkung von über einem Jahr, so gilt der gesamte Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Was zunächst harmlos klingt, bedeutet im Ergebnis die ordentliche Kündbarkeit des Mietverhältnisses, welche bedeutend früher erfolgen kann als dies wirtschaftlich mit der ursprünglichen Vereinbarung der Festlaufzeit gewollt war.

Das OLG Dresden sieht eine Änderung der monatlichen Nebenkostenvorauszahlung als Teil der geschuldeten Miete als so wesentlich an, dass sie stets dem gesetzlichen Schriftformerfordernis unterfällt. Auch bei einer vermeintlich begünstigenden Reduzierung der Nebenkostenvorauszahlung kann dem Mieter bei einer Berufung auf den Schriftformmangel nicht Treuwidrigkeit entgegengehalten werden, da die relevante Vereinbarung für den Mieter nicht lediglich vorteilhaft ist. Schließlich verbleibt es auch bei einer Änderung der Vorauszahlungshöhe bei der grundsätzlichen Ausgleichspflicht der Nebenkosten zum Zeitpunkt der Nebenkostenabrechnung.

Das KG Berlin machte in seinem Beschluss deutlich, dass auch nachträgliche Vereinbarungen zu einem Mieterausbau der Schriftform bedürfen. Vorsicht ist daher bereits im Stadium der Baurechtsschaffung geboten. Bereits die formfreie Zustimmung des Vermieters zu einem Bauantrag des Mieters, der von den vertraglichen Vereinbarungen des Mietvertrages abweicht, kann für sich genommen zu einem Schriftformverstoß führen. Erst recht gilt dies nach Ansicht des Kammergerichts dann, wenn der tatsächliche Mieterausbau sowohl vom Mietvertrag als auch dem Bauantrag abweicht. Gerade bei umfangreichen Mieterausbauten sollte daher ein Augenmerk auf eine saubere, abschließende Dokumentation gelegt werden, die den Anforderungen der gesetzlichen Schriftform gerecht wird.

Die vorgenannten Beispiele zeigen deutlich, wie schnell sich die Mietparteien mit Schriftformverstößen und der drohenden, frühzeitigen Beendigung von vermeintlich langfristigen Mietverhältnissen konfrontiert sehen. Bereits im laufenden Asset Management, erst recht jedoch im Zusammenhang mit der Grundstückstransaktion ist es daher unabdingbar, mit entsprechender rechtlicher Expertise die vorhandenen Mietverträge auf Herz und Nieren zu prüfen, um bösen Überraschungen zuvorzukommen.