
5. Juni 2025 • Lesedauer 4 Minuten
Pre-Close Calls im Fokus: Was Emittenten jetzt beachten müssen
Anlass
Seit einiger Zeit kursieren in den Medien Berichte, wonach im Rahmen von Gesprächen von Emittenten mit Analystinnen und Analysten Insiderinformationen weitergegeben werden und somit ein systematisches Informationsungleichgewicht zwischen Analystinnen und Analysten auf der einen und dem breiten Anlegerpublikum auf der anderen Seite hergestellt wird. Während die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA im Mai 2024 Handlungsempfehlungen zu sogenannten Pre-Close Calls veröffentlichte, nahm die BaFin diverse Eingaben zum Anlass, die Marktpraxis und insbesondere mögliche Kursausschläge in zeitlicher Nähe zu solchen Pre-Close Calls näher zu untersuchen. Die Erkenntnisse aus dieser Untersuchung hat die BaFin nunmehr veröffentlicht.
Im Ergebnis konnte die BaFin keinen systematischen Zusammenhang zwischen diesen Gesprächen und dem Aktienkurs der betreffenden Unternehmen feststellen und sieht daher kein grundsätzliches Problem bei deren Durchführung (BaFin - Aktuelle Themen - Auswirkungen von Pre-Close Calls). Folglich besteht nach Ansicht der BaFin auch kein Anlass, die derzeitige Marktpraxis in Bezug auf Pre-Close Calls grundsätzlich zu überdenken. Dennoch sollten Emittenten bei der Durchführung von Pre-Close Calls sowie bei jeglichen Gesprächen mit Analystinnen und Analystenangesichts der rechtlichen Vorgaben zur Markttransparenz und -integrität Vorsicht walten lassen.
Was versteht man unter Pre-Close Calls?
i Pre-Close Calls sind nicht öffentliche Gespräche zwischen Emittenten – meist verantwortet von der Investor-Relations-Abteilung – und Analystinnen und Analysten bzw. einer Gruppe von Analysten, die für ihre Kundschaft Recherchen, Prognosen und Empfehlungen zu den Finanzinstrumenten des Emittenten erstellen.
Sie finden in der Regel vor der Veröffentlichung der Finanzberichte des Emittenten statt, also vor Beginn der sogenannten Quiet Period – dem Zeitraum vor der Veröffentlichung von Unternehmensergebnissen, in dem Emittenten die Kapitalmarktkommunikation freiwillig aussetzen oder stark einschränken.
Pre-Close Calls werden oftmals von Analystinnen und Analysten eingefordert, um ein umfassenderes Bild vom Emittenten zu erhalten und somit die Qualität ihrer Recherchen, Prognosen und Empfehlungen zu verbessern. Sie dienen auch dazu, einen korrekten Consensus zu fördern, also die Schätzung von Kennzahlen, die aus verschiedenen Prognosen der Analystinnen und Analysten ermittelt wird. Dieser Consensus kann für Emittenten wiederum bei der Frage entscheidend sein, ob im Hinblick auf neue Geschäftszahlen oder eine neue Prognose eine Insiderinformation vorliegt.
Praxis bei Pre-Close Calls
Laut BaFin führen 63% der 60 DAX- und MDAX-Unternehmen, die an der Untersuchung teilgenommen haben, Pre-Close Calls durch. Die Gespräche finden überwiegend individuell zwischen Emittenten und Analystinnen bzw. Analysten statt (91,3% der DAX-Unternehmen und 93,3% der MDAX-Unternehmen). Vereinzelt werden auch sog. Gruppen-Calls zwischen dem Emittenten und mehreren Analystinnen bzw. Analysten durchgeführt (8,7% der DAX-Unternehmen und 33,3% der MDAX-Unternehmen). Einige Emittenten führen sowohl individuelle Calls als auch Gruppen-Calls durch.
Rechtslage
Im europäischen und im nationalen Recht existieren keine speziellen Regelungen zur Zulässigkeit und Durchführung von Pre-Close Calls. Allerdings sind alle kapitalmarktrechtlichen Normen, insbesondere solche der MAR, bei der Durchführung einzuhalten.
Besonders relevant ist das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Art. 14 lit. c), 10 MAR. Analystinnen und Analysten dürfen daher nur bereits öffentlich bekannte Informationen, nicht jedoch Insiderinformationen im Sinne des Art. 7 MAR, mitgeteilt werden.
Handlungsempfehlungen
Die BaFin erkennt an, dass Pre-Close Calls grundsätzlich ein zulässiges und sinnvolles Mittel sind, um Analystinnen und Analysten die für ihre Arbeit notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Um eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zu vermeiden, sollten Emittenten folgende Best Practices beachten:
- Vor der Durchführung eines Pre-Close Calls sollte der Emittent gründlich prüfen und bewerten, ob die im Rahmen des Pre-Close Calls mitzuteilenden Informationen als Insiderinformationen im Sinne des Art. 7 MAR einzustufen sind;
- der Termin und die wesentlichen Themen und die voraussichtlichen Teilnehmenden des Pre-Close Calls sollten vor der Durchführung mit ausreichend Vorlaufzeit auf der Website des Emittenten (z.B. im Unternehmenskalender) veröffentlicht werden;
- die wesentlichen Informationen, die während des Pre-Close Calls vermittelt werden, sollten schriftlich festgehalten und zeitgleich zum Pre-Close Call auf der Website des Emittenten für alle Marktteilnehmer frei zugänglich veröffentlicht werden;
- soweit möglich, sollten Pre-Close Calls mit einem möglichst offenen Teilnehmerkreis und in Form eines Gruppen-Calls durchgeführt werden;
- der Pre-Close Call sollte, soweit möglich, in Bild und/oder Ton aufgezeichnet werden und die Aufzeichnung sollte der BaFin auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Die Umsetzung dieser Empfehlungen ist nicht für alle Emittenten gleichermaßen praktikabel. Die BaFin betont, dass keine „One-size-fits-all“-Lösung existiert. Bei der Vorbereitung und Durchführung von Pre-Close Calls sollten sich Emittenten an der Leitlinie orientieren, bereits dem bloßen Anschein einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen bestmöglich entgegenzutreten. Die konkrete Umsetzung muss die jeweiligen Umstände des Emittenten (zum Beispiel Umfang der Analysten-Coverage und Unternehmensgröße) unter Proportionalitätsgesichtspunkten berücksichtigen – auch dies erkennt die BaFin ausdrücklich an.
Emittenten sollten die Veröffentlichung der BaFin zum Anlass nehmen, ihre Prozesse rund um die Investor Relations-Kommunikation und insbesondere Pre-Close Calls zu überprüfen und, soweit praktikabel, an die Handlungsempfehlungen anzupassen.
Wichtig: Sollte der Emittent nach Durchführung eines Pre-Close Calls zu dem Ergebnis kommen, dass (versehentlich) Insiderinformationen offengelegt wurden, sind diese Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen!