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29. März 2020Lesedauer 20 Minuten

Das Corona-Virus – Antworten auf Rechtsfragen von Mietern und Vermietern

Der folgende Beitrag erläutert rechtliche Fragestellungen für Mieter und Vermieter rund um das neue und in den letzten Wochen in Deutschland pandemisch nachgewiesene Corona-Virus (2019-nCoV). Dieses aus China stammende Virus kann die potentiell tödliche Lungenerkrankung COVID-19 verursachen. In Zeiten gesundheitlicher und wirtschaftlicher Unsicherheit ist Rechtssicherheit für alle Vertragsparteien von besonderer Bedeutung.

Ausgewählte gesetzliche Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien angesichts der Verbreitung des Corona-Virus

Die gegenwärtige Pandemie wirft für Mieter und Vermieter die Frage auf, welche besonderen Rechte ihnen im Mietverhältnis zustehen und welche Pflichten sie treffen. Die überregionale und potentiell tödliche Bedrohung durch das Corona-Virus kann dabei sowohl behördliche Maßnahmen als auch mietrechtliche Rechtsfolgen nach sich ziehen.

Pflichten der Mietvertragsparteien nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Der deutsche Gesetzgeber hat im Infektionsschutzgesetz (IfSG) normiert, wie im Falle des Auftretens ansteckender und potentiell tödlicher Krankheiten beim Menschen zu verfahren ist. Im IfSG ist geregelt, welche behördlichen Zwangsmaßnahmen möglich sind und welche Pflichten für jeden Bürger bestehen. Hierdurch ergeben sich auch für Mieter und Vermieter bestimmte Pflichten.

Nach § 6 IfSG ist jeder Verdacht einer Erkrankung, jede Erkrankung und jeder Tod aufgrund einer Infektion mit bestimmten, ansteckenden Krankheiten wie Cholera oder Masern den Behörden zu melden. Das Corona-Virus ist noch so neu, dass das Gesetz nicht ausdrücklich den Umgang auch mit diesem Virus regelt. Die durch das Corona-Virus hervorgerufene Krankheit COVID-19 ist jedoch in ihrer potentiellen Gefahr mit den vom IfSG erfassten ansteckenden Krankheiten beim Menschen vergleichbar. Es wurde daher am 30. Januar 2020 eigens eine Verordnung (2019-nCoVMeldVO) erlassen, welche die möglichen Maßnahmen aus dem IfSG auch auf das Corona-Virus ausdehnt.

Nach dem IfSG können die zuständigen Behörden umfassende Maßnahmen zur Verhütung und zur Bekämpfung der Verbreitung schon bei Verdachtsfällen anordnen. Die Meldepflicht nach den §§ 6 ff. IfSG wurde mit Blick auf den Coronavirus erweitert (CoronaVMeldeV). Danach gilt grundsätzlich, dass der behandelnde Arzt und Labore (Verdachtsfälle auf) Infektionen mit dem Coronavirus den zuständigen Behörden melden müssen. Weiterreichende behördliche Maßnahmen werden erst im Umfeld eines konkreten Verdachtsfalles getroffen, sind also anlassbezogen.

Solche Maßnahmen können z.B. Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Gebäuden treffen. Hierunter fallen auch Mieter und Vermieter, welche nach §§ 16 ff. IfSG zur Duldung des Betretens durch zuständiges Fachpersonal, insb. für Desinfektionsmaßnahmen sowie Ortseinschließungen, verpflichtet werden können. In besonders dringlichen Fällen kann ggf. auch die Schließung von Räumlichkeiten oder ganzen Gebäuden, bzw. die Untersagung der Nutzung von Gebäuden erfolgen. Mieter und Vermieter sollten darauf achten, dass gemäß § 16 IfSG auch die Einsichtnahme und Kopie von Büchern und anderen Unterlagen zur Ermittlung von Verdachtsfällen zulässig ist. Im Zweifel sollten daher Geschäftsgeheimnisse und andere wichtige Unterlagen separat aufbewahrt werden. Für Betreiber von Unterbringungs-, Betreuungs-, Ausbildungs- und Pflegeeinrichtungen bestehen daneben auch besondere Handlungspflichten, etwa zur Aufstellung von Plänen zur Infektionshygiene.

Anordnungen der Behörden sollte dringend Folge geleistet werden. Dies gilt vor allem deshalb, weil nach §§ 73 ff. IfSG bei einem Verstoß gegen die Anordnungen empfindliche Bußgelder und in Extremfällen sogar Freiheitsstrafen drohen. Konkrete nachteilige Folgen staatlicher Maßnahmen sollten aufgrund der im Einzelfall gegebenenfalls bestehenden staatlichen Entschädigungspflicht nach dem IfSG sorgfältig dokumentiert werden. Nachteilige Folgen sind etwa die Zerstörung von Gegenständen während einer Desinfektion oder ein möglicher Mietausfall im Falle der Schließung eines Gebäudes.

Pflichten des Vermieters nach dem Mietrecht

Daneben richtet sich im Pandemiefall das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter nach den Regelungen im Mietvertrag und dem BGB. Das bedeutet, dass im Grundsatz eine besondere Vereinbarung der Parteien im Vertrag – bspw. zur Risikotragung oder Kündigungsrechten – den gesetzlichen Regelungen im konkreten Fall vorgeht. Dies ist für jeden Mietvertrag individuell zu überprüfen. Falls jedoch im Mietvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, gelten die §§ 535 ff. BGB. Diese beinhalten die nachfolgend beschriebenen Rechte und Pflichten.

Reinigung der Gemeinschaftsbereiche des Gebäudes

Der Vermieter ist grds. verantwortlich für die Reinigung der Gemeinschaftsbereiche des Gebäudes. Hierzu zählen Eingangsbereiche, Treppenhäuser, Tiefgaragen, Belüftung etc. Die hierfür anfallenden Kosten können je nach vertraglicher Regelung anteilig auf die Mieter des jeweiligen Objekts umgelegt werden, sofern und soweit die Maßnahme im Rahmen der allgemeinen Bewirtschaftung des Objekts liegen und die Kosten nicht marktunüblich sind.

Eine rechtliche Verpflichtung des Vermieters zur Durchführung dieser Reinigungsmaßnahmen besteht jedoch regelmäßig nur, sofern und soweit dies für die Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs des Mietobjekts an den Mieter erforderlich ist. Dies bedeutet zwar sicherlich, dass der Vermieter im Falle von im Gebäude bereits vorhandener Viren für die entsprechende Beseitigung durch geeignete Desinfektionsmaßnahmen verantwortlich ist. Eine Verpflichtung zur Durchführung rein prophylaktischer Maßnahmen besteht jedoch wohl nicht. Denn im Regelfall schuldet der Vermieter lediglich die Zurverfügungstellung eines Gebäudes, in dem die Mieter entsprechend ihrem jeweiligen Mietzweck ihren Betrieb führen können, nicht jedoch eine vollständig sterile Umgebung für seine Mieter.

Eine solche Verpflichtung ergibt sich regelmäßig auch nicht aus der in jedem Mietvertrag geltenden Pflicht zur gegenseitigen Fürsorge. Es steht jedem Mieter, der eine entsprechende Gesundheitsgefahr für sich und seine Mitarbeiter fürchtet, frei, seinen exklusiven Mietbereich durch entsprechende vorbeugende Maßnahmen zu schützen. Die allgemein präsente Gefahr der Infektion mit Viren oder Bakterien ist ein allgemeines Lebensrisiko, welches auch außerhalb des Gebäudes besteht und zudem nicht nur spezifisch für das Corona-Virus, sondern für alle Viren und Bakterien gilt.

Ergibt sich aufgrund der erforderlichen Reinigungsmaßnamen eine nicht nur unerhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit der Allgemeinflächen für die Mieter (etwa zeitweise Sperrung der Treppenhäuser), kann dies Mietminderungsrechte des Mieters, bezogen auf den konkreten Zeitraum der Nutzungsbeeinträchtigung nach sich ziehen. Darüber hinaus bestehen Schadenersatzansprüche, wenn der Vermieter seine Reinigungspflicht schuldhaft verletzt und dem Mieter hierdurch nachweisbare Schäden entstehen.

Keine Pflicht des Vermieters zur Reinigung exklusiv vermieteter Bereiche

Allein die Mieter sind hingegen für die Pflege und die Reinigung ihrer exklusiv gemieteten Bereichs selbst verantwortlich. Im Falle von in einem exklusiven Mietbereich drohenden Infektionen durch Viren ist deshalb jeder Mieter selbst für die Prophylaxe bzw. Beseitigung durch geeignete Desinfektionsmaßnahmen verantwortlich.

Ansprüche und Rechte des Mieters gegen den Vermieter aufgrund ggf. nur begrenzt nutzbarer Mietflächen scheiden in diesem Fall aus, es sei denn, der Vermieter hat eine Nutzungsbeeinträchtigung der exklusiv gemieteten Flächen verschuldet.

Pflicht zur Überlassung der Mietsache

Der Vermieter ist zur Überlassung der Mietflächen zum vereinbarten Nutzungszweck verpflichtet. Kann er diese Verpflichtung aufgrund von staatlichen Anordnungen auf Grundlage des IfSG nicht oder nur eingeschränkt erfüllen, ist der Mieter zur (anteiligen) Minderung der Miete berechtigt.

Entschädigungsansprüche gegen den Staat wegen Mietausfalls, Geltendmachung von Schäden durch Mieter usw. sind denkbar. Nach aktuellem Stand folgen diese nicht aus dem Infektionsschutzgesetz, sondern bedürfen eines Rückgriffs auf das allgemeine Entschädigungsrecht. Die Ansprüche müssten für jeden Einzelfall konkret geprüft werden. Insbesondere ist zu bedenken, dass bei einem grundsätzlich möglichen Entschädigungsanspruch auch bei rechtmäßigen Maßnahmen der Behörden in der Regel kein voller Schadensersatz gewährt wird. Darüber hinaus werden die allgemeinen Entschädigungsansprüche von der Rechtsprechung eng ausgelegt, sodass eine Durchsetzung im Einzelfall sehr schwierig werden kann.

Über mögliche Entschädigungsansprüche hinaus existieren bereits konkrete Ankündigungen hinsichtlich zumindest mittelbarer staatlicher Soforthilfe. Unter Verweis auf Corona können (Vor)Steuerzahlungen ggf. gestundet werden. Ferner werden Insolvenzantragspflichten aufgeschoben. Des Weiteren werden KfW-Förderprogramme sehr zeitnah ausgeweitet (u.a. höhere Risikoübernahme durch den Staat); Diese sind unmittelbar bei der Geschäftsbank des Mieters zu beantragen. Darüber hinaus legen auch die Bundesländer nochmal eigene Förderprogramme zur Soforthilfe gerade für kleinere und mittlere Unternehmen auf. Die Voraussetzungen dazu werden wohl in den nächsten Tagen veröffentlicht.

Schadenersatzansprüche der Mieter gegen den Vermieter scheiden jedoch in der Regel mangels eines Verschuldens des Vermieters für die Virenbelastung aus, wenn er aufgrund einer behördlichen Anordnung die Mieträume nicht überlassen darf.

Rechtliche Folgen der Nichtüberlassung einer Mietsache durch den Vermieter infolge behördlicher Anordnung

Der Vermieter ist nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB dazu verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. In einem anlassbezogenen Fall kann die zuständige Behörde einem Gebäudeeigentümer bzw. Vermieter auf Grundlage des IfSG verpflichten, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung drohender Gefahren zu treffen (§§ 16, 28 IfSG, im Folgenden behördliche Anordnung). Dies sind bspw. die Schließungen einzelner Räumlichkeiten oder ganzer Gebäude als Maßnahme zur Eindämmung der Infizierungen mit dem Corona-Virus. Im Fall einer von der zuständigen Behörde angeordneten Nutzungsuntersagung sind zudem besondere Rechtsfolgen zu beachten:

  1. Ergeht die behördliche Anordnung vor Übergabe des Mietgegenstandes, ist der Vermieter wegen Unmöglichkeit der Überlassung nicht zur Gebrauchsgewährung verpflichtet. Er verliert in diesem Fall den Anspruch auf die Miete. Daneben stehen dem Mieter u.U. Schadensersatzansprüche zu, welche jedoch regelmäßig mangels Verschuldens des Vermieters ausscheiden.
  2. Ergeht die behördliche Anordnung nach Übergabe des Mietgegenstandes und ist der Vermieter daraufhin nicht mehr zur Überlassung der Mietsache imstande, kann der Mieter sich auf seine gesetzlichen Rechte berufen. Sofern nicht etwas anderes im Mietvertrag geregelt ist, sind diese Rechte die Folgenden:

Keine Pflicht zur Mietzahlung

Muss der Vermieter nach behördlicher Anordnung wegen Unmöglichkeit die Mietsache nicht überlassen, entfällt gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB spiegelbildlich auch die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung. Etwas anderes gilt nur, wenn der Mieter für die behördliche Anordnung verantwortlich ist, was jedoch nur schwer vorstellbar ist. Ist hingegen allein der Mieter mit dem Corona-Virus infiziert und kann die Mietsache deshalb nicht nutzen, liegt dies in seinem persönlichen Risikobereich. § 537 Abs. 1 BGB ordnet daher an, dass der Mieter dann weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet ist.

Minderung der Miete

Der Mieter ist berechtigt die Miete zu mindern, wenn ein wesentlicher Mangel im Laufe der Mietzeit auftritt. Die behördliche Anordnung enthält ein Verbot, das an die Benutzbarkeit oder - im Falle einer Ortseinschließung - an die Lage des Mietobjekts knüpft. Durch dieses behördliche Verbot wird unmittelbar die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt und der Mieter wird in seinem Gebrauch eingeschränkt. Deshalb ist eine solche öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung als nicht unerheblicher Sachmangel zu qualifizieren, der den Mieter zu einer Minderung berechtigt.

Ist der Mietgegenstand aufgrund einer behördlich angeordneten Ortseinschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes nicht erreichbar, ist ebenfalls ein Sachmangel anzunehmen, da der ungehinderte Zutritt zu gewerblichen Mieträumen als unmittelbar bestimmend für die Gebrauchstauglichkeit anzusehen ist. Ein solcher Fall wäre auch denkbar, wenn ein Shoppingcenter oder Factory Outlet Betreiber eine Schließungsverfügung erhält. Auch in diesem Fall ist der Mieter zu einer Minderung berechtigt.

Kein Mangel dürfte jedoch dann vorliegen, wenn der Betrieb des Mieters behördlich untersagt wird, da er kein systemrelevantes Geschäft (wie bspw. Apotheke oder Lebensmittelhandel) betreibt. In diesem Fall hat der Vermieter das Mietobjekt überlassen, der Mieter kann es jedoch aufgrund der Art seines Betriebs nicht nutzen. Eine andere Bewertung könnte sich allenfalls aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (siehe unten) ergeben.

Schadensersatzanspruch

Mangels Verschuldens des Vermieters im Falle einer behördlichen Anordnung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes steht dem Mieter regelmäßig kein Schadensersatzanspruch zu. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Vermieter die behördliche Anordnung verschuldet hat, bspw. durch bewusste Zugänglichmachung des Gebäudes für infizierte Personen.

Außerordentliche Kündigung

Der Mieter ist zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB berechtigt, soweit ihm der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder zum Teil nicht gewährt oder wieder entzogen wird. Den Vermieter muss dabei kein Verschulden treffen. Als Entzug kann auch die Schließung infolge der behördlichen Anordnung gesehen werden. Für die Kündigung ist kein erfolgloser Ablauf einer Abhilfefrist erforderlich, wenn der Vermieter nicht in absehbarer Zeit oder durch geeignete Maßnahmen den vertragsgemäßen Zustand wiederherstellen kann. Es kommt hierbei darauf an, ob ein weiteres Abwarten dem Mieter zumutbar ist. Hierfür sind wirtschaftliche und betriebliche Belange zu bewerten. Ersatz für Vermögensschäden wegen der Kündigung des Mieters erlangt der Vermieter ohne besondere Vereinbarung im Mietvertrag nur bei vorherigem Abschluss einer speziellen Versicherung gegen Mietausfallschäden.

Versicherungsrechtliche Aspekte

Versicherungsschutz für finanzielle Einbußen von Mietern oder Vermietern könnte über eine Betriebsunterbrechungsversicherung bestehen. Diese setzt aber zumeist den Eintritt einer konkret im Versicherungsvertrag definierten Gefahr voraus, wie etwa Brand, Diebstahl, Cyber-Angriffe, Sturm oder sonstige Naturgefahren. Versicherungsschutz für den Fall eine Pandemie dürfte in den seltensten Fällen bestehen. Ob für pandemiebedingte Mietausfälle zugunsten des Vermieters eine Mietausfallversicherung eingreift, ist ebenfalls eine Frage der konkreten Vereinbarungen im Versicherungsvertrag. Solche Deckungen sind al-lerdings nicht verbreitet.

Rechtliche Folgen der Schließungen von Geschäften und Betrieben aufgrund einer behördlichen Anordnung

Um der Ausbreitung vom Corona-Virus entgegenzutreten, hat die Bundesregierung am 16. März 2020 Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich beschlossen. Nach der Vereinbarung von Bund und Ländern sind auch Einzelhandel-Verkaufsstellen zu schließen. Sukzessive wurden in den einzelnen Bundesländern weitergehenden Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote erlassen. Eine behördlich angeordnete Geschäftsschließung wirft wiederum die Frage der rechtlichen Folgen auf. Im Gegensatz zu der Situation, die oben geschildert wurde, ist der Vermieter zur Überlassung der Mietsache imstande und ist seiner Gebrauchsgewährungspflicht nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB nachgekommen, wobei er dem Mieter die Ausübung seines Gebrauchsrechts während der Mietzeit ermöglicht. Allerdings verbietet oder beschränkt die behördliche Anordnung dem Mieter die Öffnung seines Geschäftes oder seines Betriebes über einen gewissen Zeitraum. Sofern nicht etwas anderes im Mietvertrag geregelt ist, kann der Mieter sich auf die folgenden Rechte berufen:

Minderung der Miete

Der Mieter ist berechtigt nach § 536 Abs. 1 BGB die Miete zu mindern, wenn ein wesentlicher Mangel im Laufe der Mietzeit auftritt. Der Vermieter ist nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand während der Mietzeit verpflichtet.

Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeeinträchtigungen können als Sachmangel gesehen werden, wenn sie an die Beschaffenheit, die Beziehung zur Umwelt oder die Lage des Mietobjekts knüpfen. Betrifft die öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeeinträchtigung persönliche oder betriebliche Umstände des Mieters, stellt sie keinen Sachmangel dar. Zudem ist erforderlich, dass die öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkung der vertragsgemäße Gebrauch auch tatsächlich einschränkt.

Im Falle einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung zur Bremsung der Verbreitung des Corona-Virus bezieht sich der Zweck der Geschäftsschließung nicht auf die konkrete Beschaffenheit oder Lage der Mietsache, sondern auf das Gewerbe des Mieters. Denn die Öffnung des Geschäfts ermöglicht den sozialen Kontakt, was zu einer raschen Ausbreitung des Corona-Virus führen kann. Dementsprechend ist dieses Risiko der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen. Ein anderes Ergebnis kann angenommen werden, wenn die Parteien eine entsprechende Risikoverteilung in dem Mietvertrag vereinbart haben. Für eine solche Annahme wird allerdings allein die Vereinbarung einer Umsatzmiete nicht ausreichen. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung zur Bremsung der Verbreitung des Corona-Virus ist somit in der Regel nicht als nachträglicher Sachmangel zu sehen. Der Mieter ist daher nicht berechtigt, von seinem Minderungsrecht nach § 536 Abs. 1 BGB Gebrauch zu machen oder einen Schadensersatzanspruch nach § 536a Abs. 1 BGB geltend zu machen.

Pflicht zur Zahlung der Miete

Der Mieter hat nach § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB die Miete auch dann zu zahlen, wenn er sein Gebrauchsrecht über die Mietsache nicht ausüben kann, soweit der Grund dieser Gebrauchshinderung in seiner Person liegt. Ob der Grund in der Person des Mieters liegt, ist vorrangig nach den besonderen Vereinbarungen zur Risikotragung in dem Mietvertrag zu bestimmen. Regelmäßig sind sein Gesundheitszustand – hierunter fällt auch eine Infektion mit dem Corona-Virus- oder seine Fähigkeit, mit der Mietsache Gewinne erzielen zu können (sog. Verwendungsrisiko) der Risikosphäre des Mieters zuzuordnen.

Das Argument könnte angeführt werden, dass die behördlich angeordnete Geschäftsschließung aufgrund des Corona-Virus als höhere Gewalt angesehen werden könnte. Höhere Gewalt wird neben Katastrophen, Streiks, Versagen öffentlicher Verkehrsmittel sowie die aus dem Risikobereich des Vermieters herrührenden Umstände als nicht zu den in der Person des Mieters liegenden Gründen angesehen. Diese Annahme würde dazu führen, dass der Mieter wegen Unmöglichkeit oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht zur Entrichtung der Miete verpflichtet wäre. Diese Nutzungshindernisse müssen der Mietsache anhaften und deshalb für jeden möglichen Mieter die Ausübung des Gebrauchsrechts unmöglich machen. Nicht jeder Mieter würde an dem Gebrauch bei einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung gehindert sein. Ein Apotheker, zum Beispiel, könnte sein Gebrauchsrecht aktuell noch ausüben. Die behördlich angeordneten Betriebs- oder Geschäftsschließungen betreffen aber gerade die Ausübung des Betriebs oder des Gewerbes durch den Mieter. Mithin liegt ein in der Person des Mieters liegender Grund vor und der Mieter ist grundsätzlich zur Zahlung der Miete nach § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet.

Außerordentliche Kündigung

Der Mieter könnte aber eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB wegen Entzugs des vertragsgemäßen Gebrauchs erklären. Ein Entzug des vertragsgemäßen Gebrauchs ist anzunehmen, wenn der Vermieter dem Mieter die Mietsache nach Überlassung wieder entzieht. In der vorliegenden Fallkonstellation entzieht der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch nicht, sondern der Mieter darf die Mietsache aufgrund einer behördlichen Anordnung nicht nutzen. Bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen ist eine fristlose Kündigung nur berechtigt, wenn ein Mangel gegeben ist und das Defizit dem Vermieter zuzurechnen ist. Im Falle einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung zur Reduktion der Verbreitung des Corona-Virus handelt es sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Beschränkung, allerdings liegt, wie bereits festgestellt, in der Regel kein Sachmangel vor. Das Risiko der Geschäftsschließung knüpft an die Ausübung des Gewerbebetriebes des Mieters und ist somit der Risikosphäre des Vermieters nicht zuzuordnen. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB scheidet somit aus.

Anpassung oder Beendigung des Mietvertrags we-gen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

Untersagt oder beschränkt eine behördliche Anordnung die Ausübung des Betriebes des Mieters über einen signifikanten Zeitraum und kommt das Geschäft des Mieters vollständig zum Erliegen, könnte eine Beendigung des Mietvertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Erwägung gezogen werden. Mieter und Vermieter setzen bei Abschluss des Mietvertrags regelmäßig Umstände voraus, die sie als so selbstverständlich ansehen, dass sie darüber nicht gesondert kommunizieren. Denkbar sind etwa die Anmietung von Räumlichkeiten neben bestimmten Retail-Händlern in einer erstklassigen Lage, Factory Outlet Stores oder die Tatsache, dass infolge offener Grenzen Tourismus möglich ist, wovon Ferienhotels profitieren.

Als Faustregel lässt sich heranziehen, dass hierunter auch alle unausgesprochenen Aspekte fallen, welche einen bestimmten Mietzins rechtfertigen (z.B. Lage des Objekts in einer erstklassigen Gegend, ein bestimmter Publikumsmix oder lange Öffnungszeiten).

Diese Umstände bilden die gemeinsame, stillschweigend vorausgesetzte Grundlage des Vertrags. Man spricht von der sog. Geschäftsgrundlage. Abzugrenzen ist sie von ausdrücklichen Einigungen der Parteien über Ausstattung oder Eigenschaft der Mietsache. Diese sind ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarungen, welche im Gegensatz zur Geschäftsgrundlage namentlich im Vertrag angesprochen werden und deren Fehlen Gewährleistungsrechte nach sich zieht.

Bei schwerwiegenden Veränderungen der Geschäftsgrundlage kann jede Partei eine Anpassung oder Beendigung des Mietvertrags gemäß § 313 Abs. 1, 3 BGB wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage verlangen. Diese Möglichkeit zur Anpassung von Verträgen dient dem schon vom Reichsgericht nach dem ersten Weltkrieg anerkannten Zweck, völlig untragbare Zustände infolge völliger Veränderung der wirtschaftlichen und sonstigen Gegebenheiten zu verhindern. Der Vertrag wird bei Anwendung des § 313 BGB bzgl. der Hauptleistungen wie der Miete an die veränderten Umstände angepasst. Erst wenn eine für beide Parteien zumutbare Anpassung des Vertrags nicht denkbar ist, ist die Beendigung des Vertrags möglich. Schwerwiegend i.S.d. § 313 BGB sind die Veränderungen der Umstände dann, wenn mindestens eine Partei den Vertrag bei Kenntnis der geänderten Umstände gar nicht abgeschlossen hätte. Ein weiteres Festhalten am unveränderten Vertrag ist der Partei dann nicht zumutbar. Hier ist aber genau zu differenzieren: Risiken, die eine Vertragspartei aufgrund der vertraglichen Absprache oder der gesetzlichen Risikozuweisung alleine tragen muss, begründen bei ihrem Eintritt grds. nicht den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Dies sind etwa die Risiken des Mieters, ob er mit seinem Angebot überhaupt Gewinn erzielt, ob das Mietobjekt von den Kunden akzeptiert wird oder ob der Mieter das Objekt persönlich nutzen kann. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt daher nur dann vor, wenn keine Partei das Risiko der Veränderung alleine tragen muss und die veränderten Umstände beide Parteien potentiell betreffen können. Nach dem Mietrecht des BGB muss grds. der Vermieter dem Mieter die Mietflächen tatsächlich übergeben und während der Mietzeit erhalten. Ob der Mieter seinen Betrieb darin ausüben kann und darf, ist sein eigenes Risiko.

Die Ausbreitung des Corona-Virus könnte aber als ein gemeinsam zu tragendes Risiko anzusehen sein, dass einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellt. Beide Parteien könnten übereinstimmend und stillschweigend davon ausgegangen sein, dass keine Pandemie mit dem Corona-Virus das öffentliche Leben weitgehend lähmt und zu Schließungen führt. Das Fehlen des Corona-Virus wäre dann die Geschäftsgrundlage des Vertrags. Relevant ist dieser Fall vor allem für Retail-Mieter, Hotels, Restaurants, Touristik-Anbieter und weitere Branchen, welche vom Kundenkontakt leben und die infolge von behördlich angeordneten Schließungen ihren Betrieb einstellen müssen. Ebenso betroffen sind Vermieter der zuvor genannten Objekte, welche das gesamte Gebäude schließen müssen.

Der Vermieter muss die Mietsache überlassen, was ihm durch eine Schließung des ganzen Gebäudes unmöglich gemacht würde. Der Mieter trägt hingegen wie oben gesehen grds. das Risiko, die Mietsache auch nutzen zu dürfen. Da weder Mieter noch Vermieter jedoch den Ausbruch der Pandemie des Corona-Virus vorausgesehen haben und dessen Folgen tragen können, ist die Pandemie als gemeinsames Risiko anzusehen. Die infolge der Ausbreitung des Corona-Virus behördlich angeordneten Schließungen verhindern die Überlassung bzw. Nutzung der Mietsache durch eine unvorhersehbare vollständige Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. In solchen Fällen – bspw. bei Epidemien oder Naturkatastrophen – tragen grds. beide Parteien das Risiko. Ob auch die Ausbreitung des Corona-Virus hierunter fällt lässt sich zum jetzigen Stand zwar noch nicht rechtssicher prognostizieren, da bislang keine Rechtsprechung hierzu ergangen ist. § 313 BGB ist als Ausformung von Treu und Glauben in seiner Reichweite stark von den Vorgaben der Gerichte im Einzelfall abhängig. Jedoch sprechen gute Gründe für die Bejahung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Wie gesehen geht die Ausbreitung des Corona-Virus und die massenweise Schließung von Betrieben über allgemeine Risiken eines Vermieters oder Mieters hinaus. Im Gegensatz zu ausbleibenden Gewinnen infolge unternehmerischer Entscheidung entstammt das Corona-Virus nicht allein der Risikosphäre einer Partei. Daher dürfte im Regelfall ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen und die Parteien den Vertrag anpassen oder kündigen können, wenn eine Behörde das gesamte Gebäude schließt und der Vermieter nicht mehr zur Überlassung in der Lage ist. Wie die Rechtsprechung hierzu entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Bislang wurde diese Möglichkeit zur Beendigung des Vertrags jedoch sehr zurückhaltend gehandhabt und bspw. selbst in den Finanzkrisen kaum genutzt. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage ist aufgrund dessen als subsidiäres Rechtsmittel anzusehen, welches nur als letzter Anker genutzt werden sollte.

Betriebspflicht bei Infektionsgefahr

Die Vereinbarung einer Betriebspflicht der Mieter trägt dem Interesse des Vermieters Rechnung, dass das Objekt, bspw. eine Shopping-Mall, für potenzielle Kunden interessant und attraktiv ist. Verstößt der Mieter gegen seine Betriebspflicht, so hat der Vermieter Ansprüche auf Erfüllung und Schadensersatz. Des Weiteren kann der Vermieter das Mietverhältnis (außerordentlich) kündigen.

Es stellt sich aber während der Corona Pandemie die Frage, ob der Mieter zur Fortführung des Betriebes verpflichtet ist, selbst wenn er nur Verluste erwirtschaftet bzw. eine Behörde die Schließung des Gebäudes angeordnet hat. Die Gewinnerzielung liegt grundsätzlich allein in der Risikosphäre des Mieters. Die Grenze der Einhaltung der Betriebspflicht liegt allerdings im Fall der Unmöglichkeit des Betriebs, etwa wenn dem Mieter der Betrieb behördlich verboten ist. Im Fall einer behördlichen Nutzungsuntersagung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes liegt daher eine rechtliche Unmöglichkeit vor, die den Mieter für den Zeitraum der Nutzungsuntersagung von seiner Betriebspflicht befreit. Ausbleibende Kundschaft infolge von Angst vor einer Infektion ist jedoch ohne besondere Vereinbarung allein Risiko des Mieters.

Nach den jetzt erfolgten behördlich angeordneten Geschäftsschließungen ist eine rechtliche Unmöglichkeit anzunehmen. Der Mieter ist also grundsätzlich von seiner Betriebspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB befreit.

Ausblick

Das IfSG und das BGB verpflichten Mieter und Vermieter zu bestimmten Handlungen im Falle einer (drohenden) Infektion mit dem Corona-Virus. So hat der Vermieter Anweisungen der Behörden Folge zu leisten und ansonsten das Gebäude und allgemeine Bereiche infektionsfrei zur Verfügung zu stellen. Der Mieter ist ebenfalls zur Befolgung behördlicher Anweisungen und zur Reinigung seines exklusiv gemieteten Bereichs verpflichtet. Er muss die Miete dabei nur solange zahlen, wie der Vermieter auch in der Lage ist, ihm die Mietflächen zu überlassen. Schadensersatzansprüche beider Seiten scheiden mangels Verschulden regelmäßig aus. Es besteht aber in Fällen angeordneter Schließung von Gebäuden u.U. ein Kündigungsrecht. Ob die Rechtsprechung dieser im Grundsatz klaren Verteilung folgt, werden erst zukünftige Gerichtsentscheidungen zeigen. Mangels vergleichbarer Fälle zum Auftreten des Corona-Virus ist eine Prognose kaum rechtssicher möglich. In diesen unruhigen Zeiten sollten überstürzte Handlungen daher vermieden werden.

Zudem plant der Gesetzgeber derzeit (Stand 22. März 2020) zur Vermeidung von unausgewogenen rechtlichen Ergebnissen, zum Schutze des Mieters vor Kündigungen und des Vermieters vor ungebührlicher finanzieller Belastung Gesetzesänderungen zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie. So soll die Möglichkeit einer Kündigung des Vermieters im Falle des Mietzahlungsverzugs des Mieters für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden, der Vermieter wird im Gegenzug bei Verzug bei der Zahlung von Darlehensraten geschützt.

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