Zum Einstieg Lesezeichen hinzufügen

8. März 2023Lesedauer 6 Minuten

BGH: Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB auch für einseitig angeordnete Nachträge

Einleitung:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem jüngsten Urteil zur Bauhandwerkersicherung entschieden, dass ein Werkunternehmer die zusätzliche Sicherheit auch für durch den Besteller einseitig angeordnete Änderungen der vereinbarten Werkleistung verlangen kann. Diese Frage wurde bislang wegen des Wortlauts der einschlägigen Vorschrift, § 648a Abs. 1 S. 1 a.F. bzw. jetzt § 650f BGB, in der Literatur kontrovers diskutiert.

Bedeutung für die Praxis:

Das Thema Bauhandwerkersicherung hat in der Praxis eine besondere Brisanz. Die Möglichkeit für den Unternehmer, jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen eine Bankbürgschaft (o.ä.) in voller Höhe der Auftragssumme verlangen zu können, stellt eine nicht unerhebliche Belastung für den Besteller dar. Wie ein Damoklesschwert hängt das daran geknüpfte außerordentliche Kündigungsrecht des Unternehmers nach § 650f Abs. 5, welches dieser nach erfolgloser Fristsetzung zur Stellung der Sicherheit ausüben kann, über dem Besteller.

Der Sachverhalt:

Der Entscheidung des BGH liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin wurde im Jahr 2017 von dem Beklagten zu 1 mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten bei dessen Bauvorhaben an einem Hotel beauftragt. Die VOB/B wurde als Vertragsbestandteil vereinbart. Abgerechnet werden sollte nach Einheitspreisen. Der Beklagte zu 1 und daraufhin auch die Klägerin kündigten im Laufe des Vorhabens jeweils im Jahr 2018 den Vertrag. Die Klägerin verlangte daraufhin eine Bauhandwerkersicherheit für folgende Posten: 61.767 Euro für Nachtragsleistungen, die technisch notwendig und vom Beklagten zu 1 auf der Baustelle verlangt worden seien; Bezahlung von Stundenlohnarbeiten in Höhe von 33.327,47 Euro; Kosten für Logistik und Transport in Höhe von 15.937,05 Euro sowie ein zehnprozentiger Aufschlag (entspricht 11.000 Euro), welcher ebenfalls grundsätzlich nach § 650f Abs. 1 bzw. seiner Vorgängervorschrift für die Absicherung von Nebenforderungen verlangt werden kann.

Ihre Ansprüche stützte die Klägerin auf § 648a BGB a.F., welcher nunmehr inhaltsgleich in § 650f BGB n.F. fortbesteht. Nach dieser Vorschrift kann der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 vom Hundert des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen sind, verlangen.

Meinungsstand in der Literatur:

Umstritten war zuvor insbesondere, ob auch nicht vereinbarte, sondern einseitig angeordnete Änderungen oder zusätzliche Leistungen von der Bauhandwerkersicherung abgedeckt werden können. Denn der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift spricht strenggenommen nur von einer Sicherheit für die in Zusatzaufträgen „vereinbarte“ Vergütung. In der Literatur wurde hierzu teilweise vertreten, dass die Anordnung keine Vereinbarung darstellt und somit § 648a Abs. 1 S. 1 a.F. bzw. § 650f BGB nicht zur Anwendung kommt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH ist dem nun mit zwei wesentlichen Argumenten entgegengetreten:

Wenn die Parteien einen Bauvertrag unter Einbeziehung der VOB/B schließen, dann vereinbaren sie damit automatisch auch das Anordnungsrecht des Bestellers nach den Regeln der VOB/B. Dass die konkrete Einzelleistung nicht von Anfang an im Vertrag vereinbart war, ist insoweit für das Verlangen nach einer Bauhandwerkersicherung unschädlich. Gleichermaßen argumentiert der BGH auch, wenn die VOB/B nicht einbezogen wurde: Wenn die Parteien einen Bauvertrag schließen, dann lassen sie sich auch auf das gesetzliche Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB ein, welches als Folge implizit mitvereinbart wird.

Nicht weniger wichtig ist aber der Sinn und Zweck der Vorschrift: Laut dem BGH besteht kein Grund, warum der Unternehmer bei einseitig angeordneten Nachträgen weniger schutzbedürftig sein soll. Das Sicherungsinteresse des Unternehmers besteht in allen Fällen in gleicher Weise. Es bedarf grundsätzlich einer insolvenzfesten Sicherung des Unternehmers in voller Höhe ab der ersten Sekunde. Jegliche Belastungen des Bestellers in diesem Zusammenhang sind grundsätzlich in Kauf zu nehmen.

Prozessuales:

Lange Zeit war streitig, welche Feststellungen zum Bestehen von Vergütungsansprüchen notwendig sind, um den Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung erfolgreich durchsetzen zu können. Der BGH hat mit dem Vorliegenden Urteil für etwas Klarheit gesorgt: Ebenso, wie der Unternehmer darlegen und im Bestreitensfalle beweisen muss, dass er „Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon“ ist, muss er darlegen und im Zweifel beweisen, dass ein Rechtsgrund für einen zusätzlichen Vergütungsanspruch aufgrund der einseitigen Anordnung durch den Besteller auch tatsächlich besteht, diese also wirksam angeordnet worden ist. Steht danach fest, dass eine Vergütung aufgrund der Anordnung des Bestellers dem Grunde nach geschuldet ist, folgt hieraus allerdings, dass hinsichtlich ihrer Höhe grundsätzlich ein schlüssiger Vortrag des Auftragnehmers ausreicht, um hierfür einen Anspruch auf Sicherheit zu begründen.

Verjährung des Anspruchs:

Bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB handelt es sich um einen sogenannten verhaltenen Anspruch. Dies bedeutet, dass die Verjährung grundsätzlich erst mit Geltendmachung des Anspruchs zu laufen beginnt, was wiederum weitere rechtliche Fragestellungen aufwirft. Insbesondere ist noch nicht abschließend geklärt, ob mit dem erstmaligen Verlangen der Bauhandwerkersicherung die Verjährung für den gesamten Anspruch (auch im Hinblick auf künftig noch zu vereinbarende oder angeordnete Nachträge) gilt. Weiterhin ist bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden worden, ob die Verjährungsfrist mit dem Verlangen der Sicherheit des Unternehmers zu laufen beginnt oder erst mit Ende des Jahres, in dem die Sicherheit verlangt wurde.

Praxishinweis:

Wie bereits eingangs erwähnt, kann das plötzliche Sicherungsverlangen des Werkunternehmers in voller Höhe der noch nicht gezahlten Auftragssumme den Besteller vor erhebliche Schwierigkeiten bringen. Insbesondere bei großvolumigen Projektentwicklungen wird es regelmäßig kaum darstellbar sein, mit der Hausbank innerhalb kürzester Zeit erfolgreich über die Stellung einer Bürgschaft in dreistelliger Millionensummen zu verhandeln. Gegebenenfalls kann es erfolgsversprechend sein, rechtzeitig den Dialog mit dem Generalunternehmer zu suchen und diesen darüber zu informieren, dass die Sicherheit nicht rechtzeitig gestellt werden kann. Einen wirksamen Schutz des Bestellers vor dieser durchaus recht einschneidenden Maßnahme des Werkunternehmers besteht in rechtlicher Hinsicht kaum, da das gesetzliche Recht auf Bauhandwerkerversicherung weder durch allgemeine Geschäftsbedingungen, noch durch eine Individualvereinbarung abbedungen werden kann, siehe § 650f Abs. 7 BGB.

Bei Aufträgen mit kleinerem Volumen dürfte es hingegen eher seltener zum Verlangen einer solchen Sicherheit kommen, insbesondere wenn es sich bei dem Werkunternehmer nicht um einen Big Player am Markt handelt, welcher fürchtet durch das Verlangen nach einer solchen Sicherheit in die Missgunst der Auftragnehmer zu geraten und künftig bei der Vergabe neuer Aufträge nicht mehr berücksichtigt zu werden.