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20. Februar 2024Lesedauer 3 Minuten

Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit bei betrieblicher Invaliditätsversorgung

Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 10. Oktober 2023 (3 AZR 250/22) festgestellt, dass eine auf allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) beruhende betriebliche Invaliditätsversorgung grundsätzlich davon abhängig gemacht werden darf, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und das Arbeitsverhältnis rechtlich (und nicht nur tatsächlich) beendet worden ist.

 

Zugrundeliegender Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Zahlung einer betrieblichen Invaliditätsrente. Die anwendbare Versorgungsordnung – bei der es sich um AGB i.S.d § 305 Abs. 1 BGB handelte – sah für den Bezug einer solchen Leistung vor, dass der jeweilige Versorgungsbegünstigte eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bezieht und aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sein muss. Dem Versorgungsbegünstigten wurde im Januar 2021 mittels Bescheids der Deutschen Rentenversicherung eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bewilligt. Allerdings war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden; das Arbeitsverhältnis ruhte nur. Die Beklagte, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, verweigerte deshalb die Zahlung der betrieblichen Invaliditätsrente. Hiergegen wandte sich der Versorgungsbegünstigte mit seiner Klage und trug u.a. vor, dass ihn ein solcher Leistungsausschluss unangemessen benachteilige.

 

Rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist wirksame Voraussetzung für eine Invaliditätsleistung

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen und auch die Revision beim BAG blieb erfolglos. Das BAG stellte fest, dass eine betriebliche Invaliditätsleistung in einer Versorgungsordnung grundsätzlich davon abhängig gemacht werden darf, dass der Versorgungsbegünstigte eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sein muss. Dies stelle keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs.  1 S. 1 BGB dar. Denn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, keine Doppelleistungen erbringen zu müssen und Planungssicherheit zu haben, sei dem Interesse des Arbeitnehmers am Bezug eines betrieblichen Ruhegeldes bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zumindest gleichgewichtig.

Der Begriff des „Ausscheidens“ aus dem Arbeitsverhältnis sei aus der Sicht verständiger und redlicher Vertragspartner dahin zu verstehen, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet sein muss. Bereits der Wortsinn lege nahe, dass damit eine endgültige, rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht nur ein vorübergehendes Ruhen der Hauptleistungspflichten gemeint sei. Auch die Unklarheitenregel, wonach Zweifel bei der Auslegung grundsätzlich zulasten des Verwenders gehen (§ 305c Abs. 2 BGB), komme vorliegend nicht zur Anwendung, weil keine “erheblichen Zweifel” an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit eines anderen Ergebnisses genüge nicht.

 

Fazit und Handlungsempfehlung

Mit seiner Entscheidung schafft das BAG Klarheit in Bezug auf die Anforderungen bei betrieblichen Invaliditätsleistungen.

Der Entscheidung gingen mehrere frühere Entscheidungen aus dem Jahr 2021 voraus, in denen das BAG ebenfalls über die vom Arbeitgeber aufgestellten Leistungsvoraussetzungen für den Erhalt einer betrieblichen Invalidenrente zu urteilen hatte. Damals stellte das BAG fest, dass ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keine rechtliche, sondern nur eine faktische Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfordere (3 AZR 99/20) und dass der vollständige Ausschluss einer betrieblichen Invaliditätsrente vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB darstellen könne (3 AZR 298/20).

Obgleich den damaligen Entscheidungen andere Sachverhalte zugrunde lagen, kam fortan eine gewisse Unsicherheit auf, unter welchen Voraussetzungen Ausscheideklauseln bei einer betrieblichen Invalidenversorgung noch wirksam vereinbart werden können. Mit der jetzigen Entscheidung bestätigt das BAG nun das in der Praxis vorherrschende Verständnis, wonach – ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte – mit dem „Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis üblicherweise die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist. Dies ist insbesondere aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. Gleichwohl ist auch künftig zu empfehlen, sämtliche Anforderungen im Zusammenhang mit betrieblichen Invaliditätsleistungen möglichst klar zu definieren. Dies gilt nicht nur für den Begriff des Ausscheidens, sondern insbesondere auch für die Definition der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Das vollständige Urteil finden Sie hier.