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2. Februar 2024Lesedauer 3 Minuten

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Finanzsektor

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Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gibt insbesondere der Finanzbranche nach wie vor Rätsel auf. Zudem hat sich seit Jahresbeginn die Zahl der Normadressaten vervielfacht. Nun gilt das LkSG für Unternehmen, die mindestens 1.000 Mitarbeiter im Inland beschäftigen. Außerdem können Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen als Zulieferer von Unternehmen aus der Realwirtschaft verpflichtet sein.

 

Arbeitsrechtliche “Must-haves”

Das LkSG verpflichtet Unternehmen, auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu achten. Arbeitsrechtliche Expertise ist schon bei Ermittlung des Schwellenwerts gefragt, denn der Beschäftigtenbegriff sowie Konzernzurechnungsfragen sind entscheidend. Essentiell ist ferner die Installation effektiver Beschwerdesysteme und die Ernennung eines Menschenrechtsbeauftragten.

Für regulierte Unternehmen sind Hinweisgebersysteme zwar kein Neuland, allerdings sollte überprüft werden, inwieweit Anpassungen notwendig sind. Zudem sollte überlegt werden, wie und wem die Aufgabe des Menschenrechtsbeauftragten übertragen wird. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Beauftragten (z.B. Geldwäsche-, Datenschutz- und (vereinzelt) ein Vergütungsbeauftragter). Diese unterliegen keinem einheitlichen Regime, sondern eigenen Bestimmungen. Folglich müssen die Besonderheiten in Bezug auf das Amt des Menschenrechtsbeauftragtens vergegenwärtigt und beachtet werden; insbesondere unparteiisches Handeln sowie Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit im Hinblick auf die ausgeübte Funktion.

 

Upstream oder Downstream

Üblicherweise betreffen Sorgfaltspflichten die vorgelagerte Lieferkette (upstream-Lieferkette). Eindeutig erfasst ist zum Beispiel die Beschaffung externer Dienstleistungen, etwa in der IT oder im Personalwesen. Die Erstreckung auf Weiterverarbeitung, Vertrieb und Verwendung von Produkten durch den Vertragspartner (downstream-Lieferkette) ist dagegen grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings könnten die Sorgfaltspflichten bei Finanzdienstleistern unter Umständen auf die nachgelagerte Lieferkette ausgeweitet sein: zum Beispiel bei der Vergabe von Krediten, weil diese häufig zu Produktionsprozessen führen. Dann müsste die Bank eruieren, wer die Beteiligten sind und ob in diesem Zusammenhang Verstöße gegen menschenrechts- und umweltbezogene Regelungen bestehen. Hier ist vieles streitig.

 

“Freibrief” durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle?

Licht ins Dunkel sollte eine Handreichung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vergangenen Jahres bringen. In der Handreichung hält die BAFA unter anderem fest, dass Geldversorgung (Leistung von Geld oder geldgleichen Mitteln) weder eine Dienstleistung noch eine Zulieferung im Sinne des LkSG ist. Außerdem sollen sich die Sorgfaltspflichten grundsätzlich nicht auf Kunden erstrecken, für die Bank- oder Versicherungsgeschäfts getätigt werden (z.B. Einlagen- oder Kreditgeschäft). Teil der Lieferkette sollen hingegen Refinanzierungsgeschäft sein, bei denen zwischen dem Refinanzierungsgeschäft und der erbrachten Bankdienstleistung eine konkret nachvollziehbare Zweckbindung besteht.

Die Handreichung führte nur bedingt zu einem branchenweiten Aufatmen: Zum einen ist sie weder ein formelles noch ein materielles Gesetz; es handelt sich lediglich um staatliches Informationshandeln. Zum anderen bleiben dogmatische Fragen weiterhin offen – beispielsweise ist kein Hinweis auf die Vergabe von Großkrediten enthalten, welche die Gesetzesbegründung aber erwähnt.

 

Fazit und Praxishinweis

Das LkSG verlangt von Unternehmen eine nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit angemessene Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten und definiert menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken. Was das genau für den Finanzsektor bedeutet, ist nicht immer eindeutig, denn dessen Besonderheiten haben keinen Eingang in das LkSG gefunden. Das Gesetz ist vorrangig für die Realwirtschaft geschrieben.

Angesichts der Vielzahl an ungeklärten Fragen ist im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Umsetzung unbedingt Expertise einholen. Versäumnisse oder Verstöße können Unternehmen teuer zu stehen kommen: Es drohen Bußgelder, die bis zu EUR acht Millionen oder bis zu zwei Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen können, sowie der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Kürzlich wurde noch befürchtet, die avisierte EU-Lieferketten-Richtlinie bringe strengere Vorgaben für den Finanzsektor. Jedoch wurde der Finanzbereich zunächst ausgeklammert. Das LkSG bleibt folglich vorerst das weltweit strengste Gesetz seiner Art.