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19. März 2024Lesedauer 3 Minuten

Schulungsanspruch des Betriebsrats – Präsenzschulung oder Webinar?

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Der Arbeitgeber hat nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Kosten für Schulungen des Betriebsrats zu übernehmen, die für dessen Arbeit erforderlich sind. Dies gilt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar auch dann, wenn dieselbe Schulung als inhaltsgleiches Webinar angeboten wird (Beschluss vom 7. Februar 2024 – Az. 7 ABR 8/23).

 

Der Fall

Die Antragstellerin ist die bei der Arbeitgeberin durch Tarifvertrag errichtete Personalvertretung, deren Schulungsanspruch sich gemäß des Tarifvertrags nach dem BetrVG richtet. Mehrere Mitglieder der Antragstellerin nahmen im August 2021 an einer mehrtägigen betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung in Potsdam teil. Die Arbeitgeberin zahlte zwar die Seminargebühren, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Dies begründete sie vor allem mit dem Argument, dass die Mitglieder der Personalvertretung an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Anbieters hätten teilnehmen können. Die Vorinstanzen verpflichteten die Arbeitgeberin zur Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Hiergegen wendete sich die Arbeitgeberin.

 

Beurteilungsspielraum auch hinsichtlich des Schulungsformats

Nach Auffassung des BAG hat die Personalvertretung – wie der Betriebsrat – einen gewissen Spielraum bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet. Dieser umfasse grundsätzlich auch das Format der Schulung. Dem stehe nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.

 

Vorinstanz zweifelte an vergleichbarer Effektivität von Webinaren

Die Vorinstanz hatte in ihrer Entscheidung der Personalvertretung zugestanden, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver sei als eine Onlineschulung, auch wenn die Lerninhalte identisch sind. Dabei stellte das Gericht gar auf eigene Erfahrungen ab und führte aus: die Distanz zwischen Seminarleiter und Schulungsteilnehmer sei online größer; es würden weniger Fragen und Anmerkungen erfolgen; die Teilnehmer fühlten sich nicht als Teil einer Schulungsgemeinschaft, welche Schulungsinhalte gemeinsam erarbeite, sodass die Inhalte auch weniger verinnerlicht würden. Auch sei ein Abgleich der Handhabung etwa von Mitbestimmungsrechten in den unterschiedlichen Betrieben nicht möglich. Schließlich bewertete die Vorinstanz den Beurteilungsspielraum der Mitglieder der Personalvertretung dahingehend, dass diese am besten wisse, bei welcher Form der Wissensvermittlung bei ihnen am meisten „hängen“ bliebe.

 

Praxishinweis

Zwar betrifft die Entscheidung des BAG eine Personalvertretung, sie lässt sich jedoch auf den Schulungsanspruch des Betriebsrats übertragen. Denn auf die Personalvertretung findet vorliegend aufgrund eines Tarifvertrags die Regelungen des BetrVG Anwendung. Die Entscheidung folgt der ständigen Rechtsprechung des BAG, welche dem Betriebsrat bei der Auswahl von erforderlichen Schulungen einen weiten Beurteilungsspielraum zuspricht (§ 37 Abs. 6 BetrVG). Gleichwohl ist dieser nicht grenzenlos. Aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) folgt, dass der Betriebsrat darauf bedacht sein muss, die durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Erforderlich ist eine Schulung insbesondere dann nicht, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann. Dies gilt es in der Praxis zu prüfen.