
5. Februar 2025 • Lesedauer 3 Minuten
BAG veranlasst Klärung der Berechnung der Überlassungshöchstdauer eines Leiharbeitnehmers nach Betriebsübergang
Der Neunte Senat des BAG (Az. 9 AZR 264/23 (A)) hat am 1.10.2024 dem EuGH die Frage vorgelegt, wie die Überlassungshöchstdauer (§ 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG) im Fall eines während des Laufs der Überlassungshöchstdauer erfolgenden Betriebsübergangs auf Seiten des Entleihers unionsrechtskonform zu berechnen ist.
Sachverhalt
Der Kläger, ein Leiharbeitnehmer, war seit dem 16.6.2017 bei einem entleihenden Produktionsunternehmen in dem Betriebsteil Logistik als Kommissionierer beschäftigt. Zum 1.7.2018 wurde der Betriebsteil Logistik im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte ausgegliedert. Sowohl die Beklagte als auch das ursprünglich entleihende Produktionsunternehmen sind Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW e. V.. Dessen Tarifvertrag ermöglicht es, die Überlassungshöchstdauer durch Betriebsvereinbarung auf 48 Monate zu verlängern. Die Beklagte beschäftigte den Leiharbeitnehmer nach dem Betriebsübergang unverändert auf demselben Arbeitsplatz als Kommissionierer weiter.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, zwischen ihm und der Beklagten bestehe seit dem 16.12.2018 ein Arbeitsverhältnis. Die zulässige Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten sei nämlich überschritten, sodass ein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion zum Entleiher entstanden sei.
Entscheidung der Vorinstanzen
Das ArbG wies die Klage ab. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Klägers stellte das LAG Hamm fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten erst seit dem 16.6.2021 besteht. Maßgeblich für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer sei, ob die Überlassungsmodalitäten gleichbleiben. Dies bejahend hat das LAG in vorliegendem Fall die Einsatzzeiten des Klägers vor dem Betriebsübergang auf die Überlassungshöchstdauer angerechnet. Weiter hat es angenommen, dass die Überlassungshöchstdauer durch Betriebsvereinbarung wirksam auf 48 Monate verlängert worden ist (§ 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 4 AÜG). Entsprechend bestehe ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten kraft gesetzlicher Fiktion (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1b, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG) erst mit Ablauf der auf 48 Monate verlängerten Überlassungshöchstdauer, mithin seit dem 16.6.2021.
Beide Parteien legten gegen das Urteil Revision ein.
Beschluss des BAG
Das BAG hat daraufhin am 1.10.2024 dieses Verfahren sowie ein Parallelverfahren (9 AZR 263/23) ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, wie die Überlassungshöchstdauer im Fall eines Betriebsübergangs des entleihenden Betriebs zu berechnen ist, sowie ob das veräußernde Unternehmen und der Erwerber (hier Beklagte) als ein „entleihendes Unternehmen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. d der Leiharbeitsrichtlinie anzusehen sind. Davon hänge ab, ob und unter welchen Voraussetzungen die Einsatzzeiten vor dem Betriebsübergang bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer zu berücksichtigen seien.
Zudem hat das BAG bereits klargestellt, dass sich die Beklagte jedenfalls nicht auf die Verlängerung der Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate berufen könne, da sie keinen Hilfs- oder Nebenbetrieb unterhalte, der in den Geltungsbereich des Tarifvertrages falle. Damit ist für die Höchstüberlassungsdauer jedenfalls ein Zeitraum von 18 Monaten maßgeblich. Fraglich ist jedoch, ob dieser am 16.6.2017 oder 1.7.2018 zu laufen begann.
Praxishinweis
Mit dem vorstehenden Vorlagebeschluss hat der EuGH nun erneut die Möglichkeit, die Überlassungshöchstdauer der Leiharbeit zu präzisieren. Da sehr viele Unternehmen einen Teil ihrer Belegschaft durch Leiharbeit abdecken, ist eine Klärung der Auswirkungen von Betriebsübergängen auf die Überlassungshöchstdauer dringend erforderlich und für alle Beteiligten zu begrüßen. Wegen des Risikos von Bußgeldern oder etwa Steuernachzahlungen in Folge einer Überschreitung der Überlassungshöchstdauer, ist eine unbemerkte Weiterbeschäftigung von Leiharbeitnehmern zu vermeiden.
Bis zur abschließenden Entscheidung können sich Arbeitgeber vor unliebsamen Überraschungen im Rahmen eines Betriebsübergang nach wie vor nur durch eine vorsorgliche, rechtzeitige Beendigung des Leiharbeitsverhältnisses schützen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Überlassungshöchstdauer durch einen Betriebsübergang des Entleiherbetriebs nicht erneut beginnt. Die Erwerber sollten das Risiko der Annahme eines Arbeitsverhältnisses kraft gesetzlicher Fiktion daher bereits vor dem Betriebsübergang im Blick haben, um entsprechende Kosten einzupreisen oder rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen zu veranlassen.