20. März 2025Lesedauer 3 Minuten

Klarstellung des BAG – Keine Verpflichtung zur aktiven Bewerbung während der Kündigungsfrist

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 12. Februar 2025 (Az. 5 AZR 127/24) klargestellt, dass Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht verpflichtet sind, sich aktiv zu bewerben oder eine andere Stelle anzunehmen. Gehaltskürzungen aufgrund unterlassener Einkünfte sind während der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht möglich. Denn der Arbeitgeber bleibt trotz einer eventuellen Freistellung verpflichtet, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu beschäftigen und Gehalt zu zahlen.

 
Sachverhalt

Die Parteien streiten um eine Lohnzahlung für einen Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung unwiderruflich freigestellt war. Nachdem der Arbeitnehmer sich auf insgesamt 43 Stellenangebote, welche ihm durch den Arbeitgeber übermittelt worden waren, nicht zeitnah bewarb, stellte der Arbeitgeber die Lohnzahlung ein. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen sei, sich zeitnah auf die überlassenen Stellenangebote zu bewerben. Indem er dies unterließ, habe er anderweitigen Verdienst böswillig nicht erzielt. Diesen nicht erzielten anderweitigen Verdienst müsse er sich anrechnen lassen.

Der gekündigte Arbeitnehmer hatte sich nach Zugang der Kündigung unverzüglich arbeitssuchend gemeldet und auf sieben der durch den Arbeitgeber übermittelten Stellenangebote beworben, jedoch nicht unmittelbar nach Übermittlung, sondern erst kurz vor Ende der Kündigungsfrist. Vermittlungsvorschläge durch die Bundesagentur für Arbeit erhielt der Arbeitnehmer erstmals nach Ablauf der Kündigungsfrist. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Entscheidung wurde durch das Landesarbeitsgericht bestätigt.

 
Entscheidung des BAG

Die Revision des Arbeitgebers blieb ebenfalls ohne Erfolg. Der Arbeitgeber sei bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet, den Arbeitnehmer zu beschäftigen. Die nach Ausspruch der Kündigung erfolgte einseitige unwiderrufliche Freistellung befreie den Arbeitgeber daher nicht von der Verpflichtung zur Gehaltszahlung. Der Arbeitnehmer müsse sich in diesem Zeitraum daher einen nicht erzielten anderweitigen Verdienst auch nicht anrechnen lassen. Eine Anrechnung unterlassenen Verdienstes komme grundsätzlich immer nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer treuwidrig handele. Ob ein treuwidriges Handeln vorliege, sei dabei jeweils durch eine Gesamtabwägung aller Umstände zu ermitteln. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass den Arbeitgeber während einer laufenden Kündigungsfrist grundsätzlich eine Beschäftigungspflicht trifft. Eine Weiterbeschäftigung könne für den Arbeitgeber zwar unzumutbar sein. Hierzu habe der Arbeitgeber im vorliegenden Fall aber nicht hinreichend vorgetragen. Der Arbeitnehmer sei daher nicht verpflichtet gewesen, bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist ein anderweitiges Beschäftigungsverhältnis einzugehen oder sich aktiv hierum zu bemühen.

 
Praxishinweis

Die lange umstrittene Frage, ob Arbeitgeber im Fall unterlassener Bewerbungsbemühungen gekündigter Arbeitnehmer deren Gehaltszahlungen kürzen dürfen, wird nun zunehmend durch das BAG geklärt:

  • Das BAG hat bereits vor einem Jahr (Urteil vom 7. Februar 2024 – 5 AZR 177/23) entschieden, dass nach dem Ende der Kündigungsfrist ein bewusst unterlassener anderweitiger Verdienst grundsätzlich angerechnet werden kann – zumindest sofern die anderweitige Arbeit zumutbar ist.
  • Mit der vorliegenden Entscheidung stellt das BAG nun klar, dass während einer laufenden Kündigungsfrist eine Anrechnung unterlassenen anderweitigen Verdienstes nur in Ausnahmefällen möglich ist.

Trotz dieser Entscheidung kann es ratsam sein, gekündigten Arbeitnehmern (passende) Stellenangebote zeitnah zukommen zu lassen. Unterlässt der gekündigte Arbeitnehmer dann Bewerbungsbemühungen, ist eine Anrechnung unterlassenen Verdienstes weiterhin jedenfalls nach Ablauf der Kündigungsfrist möglich. Liegen Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung vor, kann eine Kürzung auch bereits während der Kündigungsfrist in Betracht kommen. In diesem Fall sind die Gründe der Unzumutbarkeit der Beschäftigung zu dokumentieren und im Fall eines Prozesses konkret vorzutragen. Welche Anforderungen die Rechtsprechung an diese Unzumutbarkeit stellen wird, bleibt abzuwarten. Das BAG konnte diese Frage bisher offenlassen.