
23. Oktober 2023 • Lesedauer 3 Minuten
Zweifel an der Richtigkeit einer AU-Bescheinigung im Anschluss an eine Kündigung
Die Konstellation, dass Mitarbeitende sich kurz nach einer Eigen- oder arbeitgeberseitigen Kündigung krankmelden, dürfte vielen Arbeitgebern bekannt sein. Die durch eine Kündigung hervorgerufene Belastungssituation und deren mitunter gesundheitlichen Folgen sollen dabei nicht von der Hand gewiesen werden. Ist der Mitarbeitende jedoch über den gesamten Zeitraum der Kündigungsfrist erkrankt, kann dies auf Seiten des Arbeitgebers Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) geben. Ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt, wann der Arbeitgeber solchen Zweifeln nachgehen und die Richtigkeit der AUB gerichtlich überprüfen lassen sollte.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einzelner Landesgerichte
Der Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wird in der Regel durch eine AUB erbracht. Grundsätzlich kommt einer AUB im Gerichtsverfahren ein hoher Beweiswert zu. Es reicht daher regelmäßig nicht aus, eine AUB mit Nichtwissen zu bestreiten, um ihren Beweiswert zu beseitigen. Der Beweiswert der AUB kann vielmehr nur erschüttert werden, wenn der Arbeitgeber Umstände darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers bestehen. Für diese Umstände haben sich in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Fallgruppen herausgebildet.
Das BAG hat mit Urteil vom 8. September 2021 (Az. 5 AZR 149/21) als Umstand für die Erschütterung des Beweiswerts der AUB anerkannt, dass die Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin gleichzeitig mit der Einreichung ihrer AUB erfolgte, die passgenau die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckte.
Auch das LAG Schleswig-Holstein entschied mit Urteil vom 2. Mai 2023 (Az. 2 Sa 203/22), dass mehrere AUB, die passgenau zum Ablauf der Kündigungsfrist andauerten, gemeinsam mit dem Inhalt des Kündigungsschreibens Zweifel an der Krankheit begründen mit der Folge, dass der AUB kein Beweiswert mehr zukommt.
Zuletzt nahm das BAG die Revision gegen ein Urteil des LAG Niedersachsen (8. März 2023, Az. 8 Sa 859/22) zum Anlass, eine weitere Fallgruppe für den berechtigten Zweifel an dem Beweiswert einer AU zu ergänzen (Urteil vom 13. Dezember 2023, Az. 5 AZR 137/23). Das BAG bestätigte die Ansicht des LAG Niedersachsen, wonach der Beweiswert einer AU auch erschüttert werden könne, wenn es sich um eine arbeitgeberseitige Kündigung handele. Das BAG hob hervor, dass der zeitliche Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankmeldung ein wichtiger Umstand sei und es stets auf die Würdigung des Einzelfalls ankomme.
Der Beweiswert einer AUB ist allerdings nicht allein deshalb erschüttert, weil sie einen Zeitraum zum Ende der Kündigungsfrist betrifft. Dies entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil vom 13. Juli 2023 (Az. 5 Sa 1/23), nachdem der Arbeitgeber die Entgeltzahlung für einen Zeitraum verweigerte, in welchem der Arbeitnehmer sich zum Ende der Kündigungsfrist krankmeldete und die Krankmeldung den Zeitraum bis zum anschließenden Resturlaub passgenau abdeckte.
Folgen für die Praxis
Die Entscheidungen des BAG und der LAG zeigen, dass Arbeitgeber bei „verdächtigen“ Krankmeldungen in unmittelbar zeitlichem Anschluss an eine Eigen- oder arbeitgeberseitigen Kündigung berechtigten Anlass haben, die Richtigkeit der Krankmeldungen zu hinterfragen. Es ist ratsam, den Einzelfall und die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu prüfen, um zu beurteilen, ob ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung besteht oder ob der Arbeitgeber die Zahlung berechtigterweise unterlassen darf.