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21. Februar 2024Lesedauer 6 Minuten

Deutsches Finanzgericht: Keine Pflicht zur Rechnungskorrektur bei fehlender Gefährdung des Steueraufkommens bei unrichtigem Steuerausweis

Bereits im Dezember 2022 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, Urt. v. 8.12.2022 – C-378/21 P GmbH) entschieden, dass auf einer Rechnung zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer ohne Gefährdung des Steueraufkommens nicht zu einer Steuerschuld führt. Das Finanzgericht (FG) Köln hat in einem aktuellen Urteil (FG Köln, Urteil v. 27.05.2023, 8 K 2452/21) nun unter anderem diese unionsrechtskonforme Auslegung des Art. 203 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) erstmalig in Deutschland auf den § 14c Abs. 1 UStG angewendet.

 

Key Takeaways

Die Entscheidung des FG Köln, mit der das FG § 14c Abs. 1 UStG auf andere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personen ausweitet, stellt ein Novum dar. In dem kürzlich entschiedenen Fall bezieht das FG nicht nur erstmals einen anderen ebenfalls nicht vorsteuerabzugsberechtigten Personenkreis abseits der Endverbraucher mit ein, sondern verneint auch die Anwendung des § 14c Abs. 1 UstG bei Gutgläubigkeit des Rechnungsstellers. Damit ist die Entscheidung des FG die folgerichtige Anwendung der o.g. EuGH-Rechtsprechung und verdeutlicht, dass das deutsche Umsatzsteuergesetz im Hinblick auf ein Fehlen der Gefährdung des Steueraufkommens und bei Gutgläubigkeit des Rechnungsstellers den Unternehmer nicht hinreichend schützt.

Die FG-Entscheidung birgt für Unternehmen die wichtige Konsequenz, dass Rechnungen bei fehlender Steuergefährdung nicht korrigiert werden müssen. Zu beachten ist jedoch, dass der Rechnungsaussteller den Nachweis fehlender Gefährdung führen muss. Wenn neben nicht vorsteuerabzugsberechtigen Personen wie z.B. Endverbrauchern auch Unternehmer zu den Leistungsempfängern gehören, wird dieser Nachweis jedoch schwer zu führen sein. In diesem Fäll wäre eine Abgrenzung zumindest im Schätzwege vorzunehmen, so die Generalanwältin Kokott in ihrem Schlussantrag v. 08.09.2022 zum o.g. EuGH-Urteil. Ein „Infektionsgedanke“, wonach der Teil der Rechnungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Personen durch weitere Rechnungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer „infiziert“ werden könnte, ist hingegen dem Mehrwertsteuerrecht fremd.

Während gegen das Urteil des FG Köln ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Az. V R 16/23 anhängig ist, betrifft dieses nicht die vom FG vertretene rechtliche Beurteilung zur richtlinienkonformen Auslegung des § 14c UStG, sondern die Frage, ob die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG auch bei rabattierten und DV-freigemachten PZA-Leistungen als sog. AGB-Leistungen anwendbar ist.

 

Hintergrund

In dem Sachverhalt der EuGH-Entscheidung, die dem aktuellen Urteil des FG Köln zu Grunde liegt, hat die Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach österreichischem Recht einen Indoor-Spielplatz betrieben. Für die erbrachte Dienstleistung setzte die Klägerin die Umsatzsteuer mit dem Regelsteuersatz an und wies diese in an die Endverbraucher gestellten Kleinbetragsrechnungen auch aus.

Entgegen der ursprünglich durch die Klägerin vertretenen Rechtsauffassung handelte es sich jedoch um eine Dienstleistung, auf die der ermäßigte Steuersatz anzuwenden war. Auf den von der Klägerin ausgestellten Rechnungen war demnach die Umsatzsteuer zu hoch ausgewiesen. Die Klägerin berichtigte diesen unrichtigen Steuerausweis über die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr und beantragte die Erstattung der überzahlten Umsatzsteuer durch das Finanzamt. Das zuständige Finanzamt verweigerte die Berichtigung, da nach nationaler (österreichischer) Umsetzung des Art. 203 MwStSystRL der Steuerpflichtige, die zu hoch vereinnahmte Umsatzsteuer schulde und diese Schuld nur durch die Berichtigung der Rechnungen erlösche. Eine Korrektur der Kleinbetragsrechnungen sämtlicher Kunden war der Klägerin jedoch faktisch allein aufgrund der Unkenntnis über die Identität und damit auch hinsichtlich jeglicher Kontaktdaten der Kunden unmöglich. Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen des Landes Österreich hat deshalb die Frage, ob eine auf der Rechnung zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer geschuldet wird, wenn mangels Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH hat in der daraufhin ergangenen Vorabentscheidung die Auslegung des Art. 203 MwStSystRL präzisiert. Demnach schuldet der Steuerpflichtige die auf der Rechnung zu viel ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Eine Gefährdung des Steueraufkommens liegt grundsätzlich nicht vor, wenn der Empfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Im zu klärenden Sachverhalt wurde aus Vereinfachungsgründen als „Prämisse“ angenommen, dass die Klägerin Dienstleistungen ausschließlich an private Endverbraucher erbracht hat, sodass für die ausgestellten Kleinbetragsrechnungen sichergestellt war, dass kein Vorsteuerabzug von den Empfängern der Dienstleistung geltend gemacht werden würde.

In Deutschland ist Art. 203 MwStSystRL in § 14c Umsatzsteuergesetz (UStG) umgesetzt. Der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) ist bei der Anwendung des § 14c UStG bisher davon ausgegangen, dass eine Steuerschuld allein durch den unrichtigen oder unberechtigten Steuerausweis auf einer Rechnung entsteht, unabhängig davon, ob der Rechnungsempfänger vorsteuerabzugsberechtig ist. Die nach BFH-Auffassung bei unrichtigem Ausweis der Umsatzsteuer entstandene Steuerschuld konnte demnach nur verringert werden, wenn die Rechnung korrigiert wurde und eine Rückzahlung der zu hoch vereinnahmten Umsatzsteuer an den Rechnungsempfänger erfolgte.

 

Aktuelle Entscheidung des FG Köln zu § 14c Abs. 1 UStG

Sachverhalt

In dem vom FG Köln zu entscheidenden Fall erbrachte die Klägerin Post-Universaldienstleistungen und zwar genauer förmliche Zustellungen ausschließlich an Behörden, Gerichte, Gerichtsvollzieher und Schiedsmänner/-frauen. Post-Universaldienstleistungen sind in der Regel von der Umsatzsteuer befreit, § 4 Nr. 11 lit. b UStG. Die Klägerin verfügte jedoch über eine verbindliche Auskunft des Finanzamts aus dem Jahr 2010, die besagte, dass die Klägerin eine umsatzsteuerpflichtige Dienstleistung erbringt. Die Klägerin stellte daraufhin sämtliche Rechnungen mit Umsatzsteuer aus. Durch die BFH-Entscheidung zu der Frage der Steuerfreiheit von Postzustellungsauftrags-Leistungen als Post-Universaldienstleistungen (BFH, Urteil vom 06.02.2020, V R 37/19 (V R 8/16) sowie Urteil vom 06.02.2020, V R 36/19 (V R 30/15)) stellte sich heraus, dass die von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen ebenso umsatzsteuerfreie Dienstleistungen gem. § 4 Nr. 11 lit. b UStG sind.

Durch die nachträgliche Einordnung der Umsätze als steuerfrei, waren die Rechnungen im Streitjahr 2016 fehlerhaft mit Umsatzsteuer ausgestellt worden. Streitfrage der Klage war deshalb auch, ob die von der Klägerin auf der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer an das Finanzamt geschuldet wird.

Rechtliche Beurteilung durch das FG

Das FG Köln ist der Auffassung des EuGH in der Sache P GmbH (Urt. v. 8.12.2022 – C-378/21) gefolgt, wonach die unrichtig vereinnahmte Umsatzsteuer von der Klägerin nicht – auch nicht über § 14c UStG bzw. Art. 203 MwStSystRL – an das Finanzamt abzuführen sei. Damit weitet das FG Köln diese EuGH-Rechtsprechung auch auf andere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Empfänger aus und bejaht einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Finanzamt.

Leistungsempfänger der von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen waren Behörden, Gerichte, Gerichtsvollzieher und Schiedsmänner/-frauen. Diese sind grundsätzlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass keine Gefährdung des Steueraufkommens eintreten konnte. Eine Rückzahlung der zu unrecht vereinnahmten Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger oder eine Berichtigung der Rechnungen durch den Steuerpflichtigen war im vorliegenden Fall nach Auffassung des FG Köln im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG ebenfalls nicht erforderlich. Bei richtlinienkonformer Auslegung fehle es der Rückzahlung als Korrekturvoraussetzung des § 14c Abs. 1 UStG bereits an einer rechtlichen Grundlage. In Fällen, in denen nicht korrigiert werden müsse, stelle die Rückzahlung demnach folglich keine Korrekturvoraussetzung dar.

Ein weiterer Aspekt, den das FG Köln in der Entscheidung ebenso berücksichtigt hat, ist die Gutgläubigkeit der Klägerin aufgrund der ihr vorliegenden verbindlichen Auskunft aus 2010. Die Klägerin wusste im Streitjahr 2016 noch nicht von der nachfolgend festgestellten Unionsrechtswidrigkeit und damit der fehlenden Bindungswirkung der ihr erteilten verbindlichen Auskunft.

Für weitere Fragen in diesem Kontext steht Ihnen das Steuerrechtsteam von DLA Piper gerne zur Verfügung.