17. September 2025 • Lesedauer 3 Minuten
Wartezeitkündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers – kein Präventionsverfahren erforderlich
Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer während der Wartezeit werfen regelmäßig rechtliche Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. April 2025 (Az. 2 AZR 178/24) nun erneut klargestellt, dass in der Wartezeit keine Pflicht zur Durchführung eines solchen Präventionsverfahrens besteht. Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Köln mit Urteil vom 12. September 2024 (Az. 6 SLa 76/24) entschieden, dass ein Präventionsverfahren auch im Rahmen der Wartezeit erforderlich und somit auch für die Wirksamkeit einer Wartezeitkündigung notwendig sei (hierzu unser Blogbeitrag Präventionsverfahren auch bei Probezeitkündigung notwendig). Das Urteil des BAG bringt nun wichtige Klarheit für Arbeitgeber.
Der Fall
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer wurde innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (sog. ”Wartezeit”) wegen angeblicher fachlicher Ungeeignetheit gekündigt. Der Arbeitgeberin war die Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt. Ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung bestanden nicht. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und argumentierte, dass die Kündigung wegen unterlassener Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX unwirksam sei.
§ 167 Abs. 1 SGB IX sieht vor, dass Arbeitgeber bei personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis, die zu einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses führen können, zunächst Maßnahmen ergreifen müssen, um einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses entgegenzuwirken (sog. Präventionsverfahren). Darüber hinaus argumentierte der Arbeitnehmer, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unwirksam sei. Die Arbeitgeberin hätte ihm einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz anbieten müssen. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG hat in seinem Urteil klargestellt, dass es an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und entschieden, dass die streitgegenständliche Kündigung wirksam war.
Das BAG stellte klar, dass das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX nur im zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gilt. Da der Arbeitnehmer sich noch in der Wartezeit befand, sei der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetz nicht eröffnet gewesen und somit auch keine Pflicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens bestanden habe.
Zudem bestätigte das BAG, dass die Durchführung eines Präventionsverfahrens keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung darstellt. Anders als z. B. bei der unterlassenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 178 Abs. 2 SGB IX), sähe § 167 Abs. 1 SGB IX keine Unwirksamkeitsfolge vor. Darüber hinaus gelte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der durch § 167 Abs. 1 SGB IX konkretisiert werde, nur innerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes. Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes – also in der Wartezeit oder in Kleinbetrieben – bestehe keine Verpflichtung zur Prüfung milderer Mittel vor Ausspruch einer Kündigung. Eine Pflicht der Arbeitgeberin, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz anzubieten, habe daher nicht bestanden.
Darüber hinaus war die Kündigung nach Auffassung des Gerichts nicht wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nichtig. Die Kündigung sei nicht wegen der Behinderung des Arbeitnehmers, sondern allein wegen mangelnder fachlicher Eignung erfolgt. Der Arbeitnehmer sei in Kenntnis der Behinderung eingestellt worden und habe nicht vorgetragen, dass dieser Eignungsmangel untrennbar mit seiner Behinderung zusammenhängt.
Praxishinweis
Das Urteil bestätigt die bisherige BAG-Rechtsprechung und schafft Klarheit für Arbeitgeber: In der Wartezeit besteht keine Pflicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens. Dies erleichtert die Handhabung von Wartezeitkündigungen und vermeidet zusätzliche formale Hürden. Das Urteil zeigt jedoch ebenfalls, welche formellen und materiellen Voraussetzungen Arbeitgeber bei einer beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers beachten müssen. Eine sorgfältige Vorbereitung und rechtliche Prüfung sind dabei unabdingbar.

