
23. Oktober 2023 • Lesedauer 2 Minuten
Stolperstein Schriftformerfordernis bei Kündigungen und mögliche Neuerungen durch die Eckpunkte zum Bürokratieabbau
Die strengen Anforderungen der Schriftform im deutschen Zivilrecht überraschen immer wieder ausländische Arbeitgeber. Dass mitunter auch an deutschen Arbeitsgerichten unterschiedliche Auffassungen über die Schriftform bestehen, zeigt das Urteil des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) vom 9. Mai 2023 (Az. 2 Sa 146/22). Das LAG befasste sich mit der Form einer im Abwicklungsvertrag vereinbarten Möglichkeit der arbeitnehmerseitigen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die eine erhöhte Abfindung auslöst (sog Turboklausel).
Der Fall
Das Arbeitsverhältnis war durch Kündigung beendet worden und die Parteien hatten einen Abwicklungsvertrag geschlossen. Darin vereinbarten sie, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis „durch schriftliche Erklärung“ vorzeitig beenden könne. Der Kläger meinte, die Schriftform der vorzeitigen Beendigung sei von den Parteien rechtsgeschäftlich bestimmt worden, sodass die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß der Turboklausel mittels Erklärung in elektronischer Form habe abgegeben werden können. Der Arbeitgeber erkannte in der mittels beA abgegeben Erklärung jedoch keine vorzeitige Beendigung und verweigerte dementsprechend die Zahlung einer erhöhten Abfindung.
Das in erster Instanz befasste Arbeitsgericht gab dem Kläger Recht und vertrat die Auffassung, die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne mittels elektronischer Form erfolgen. Das LAG stellte hingegen fest, dass die Vereinbarung einer Turboklausel dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gebe, durch Kündigung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Der Abwicklungsvertrag selbst sei nicht Rechtsgrund der Beendigung, sondern beziehe sich lediglich auf die Kündigung und regele deren Modalitäten. Möchte der Arbeitnehmer vor dem Beendigungstermin der arbeitgeberseitigen Kündigung ausscheiden, bedarf es daher einer eigenen Kündigung. Der Formzwang der Kündigung gemäß § 623 BGB, der ausdrücklich die elektronische Form ausschließt, kann nicht durch Vereinbarung der Parteien geändert werden.
Praxishinweis
Die Entscheidung führt vor Augen, dass die genaue Befolgung der Schriftformerfordernisse des deutschen Zivilrechts nicht trivial ist. Denn die Grundlagen für die Entscheidung, nämlich dass bei Inanspruchnahme einer Turboklausel die vorzeitige Beendigung eine Kündigung darstellt und dass die Schriftform der Kündigung nicht wirksam durch die elektronische Form ersetzt werden kann, waren bereits vorher bekannt. Gleichzeitig könnten die strengen Formvorschiften bald der Vergangenheit angehören, da die vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte zum Bürokratieabbau unter anderem vorsehen, dass die elektronische Form im BGB die Regelform werden soll. Es bleibt abzuwarten, wann der Gesetzgeber die Eckpunkte umsetzt und welche Regelungen im BGB hiervon erfasst werden. Wir werden über Neuigkeiten berichten.
Das Urteil ist hier abrufbar. Die Pressemitteilung zu den Eckpunkten zum Bürokratieabbau finden Sie hier.





