
25. Juni 2025 • Lesedauer 3 Minuten
Kein “Abkauf” des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs bei unbeendetem Arbeitsverhältnis
Trennungen sind nie einfach. Wenn ein Arbeitsverhältnis endet, wünschen sich die Parteien in der Regel eines: einen klaren Schlussstrich. Erledigungsklauseln in gerichtlichen Vergleichen sollen genau das leisten – eine abschließende Erledigung aller Ansprüche. Dass so etwas nicht immer gelingt, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). In diesem Urteil vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) bleibt das BAG seiner bisherigen Linie treu: Die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs ist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Die Entscheidung reiht sich in die bisherige Rechtsprechung zur Unverzichtbarkeit des Mindesturlaubsanspruchs ein und betont die Schutzfunktion des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG.
Der Fall
Der Kläger war bei der Beklagten seit vier Jahren als Betriebsleiter beschäftigt und seit Jahresbeginn 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Am 31. März 2023 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitgeberseitige Kündigung mit Wirkung zum 30. April 2023 gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. EUR 10.000,00 einigten. Im gerichtlichen Vergleich hieß es, dass Urlaubsansprüche „in natura gewährt“ seien. Der Kläger hielt die Ziffer für unwirksam und machte trotz Abschluss des gerichtlichen Vergleichs die Abgeltung von sieben Urlaubstagen geltend – mit Erfolg.
Die Entscheidung des BAG
In Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung hat das BAG entschieden: Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist besonders geschützt und kann während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht durch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen unterlaufen werden. Im Einzelnen urteilte das BAG, dass eine entsprechende Klausel nach § 134 BGB nichtig ist, soweit sie gegen § 3 Abs. 1 S. 3 BUrlG verstößt. Eine zulässige Abweichung von den gesetzlichen Bestimmungen zuungunsten von Mitarbeitenden sei nur im Falle eines Tatsachenvergleichs möglich.
Ein Tatsachenvergleich liege jedoch nur dann vor, wenn tatsächlich eine Ungewissheit über Tatsachen bestehe, die durch eine Einigung beseitigt werde. Angesichts der seit Anfang 2023 durchgängig bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe gerade keine Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Mindesturlaubsanspruchs bestanden. § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG sei mithin anwendbar und die Abrede daher nichtig.
Auch wenn bei Abschluss des Vergleichs bereits feststehe, dass der Urlaub krankheitsbedingt nicht mehr genommen werden könne, bleibe der Anspruch bestehen. Entscheidend sei, dass der Mitarbeitende theoretisch noch die Möglichkeit gehabt hätte, den Urlaub zu nehmen – hier im Zeitraum zwischen dem Abschluss des gerichtlichen Vergleichs (31. März 2023) und dem Ende des Arbeitsverhältnisses (30. April 2023). Erst mit tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte über den noch ausstehenden Mindesturlaubsanspruch bzw. den dann entstandenen Urlaubsabgeltungsanspruch disponiert werden können.
Auch die von der Beklagten geltend gemachte Einrede des Verstoßes gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, könne nicht verfangen. Auch wenn der Kläger dem Vergleich zugestimmt habe, könne er sich später auf die Unwirksamkeit berufen – insbesondere, wenn er seine Bedenken während des Vergleichs deutlich gemacht hat.
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass bei der Gestaltung von Erledigungsklauseln – insbesondere in gerichtlichen Vergleichen – größte Sorgfalt geboten ist. Wer mit einem Vergleich eine endgültige Bereinigung erzielen möchte, muss wissen: Die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs (§ 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG) gilt während des laufenden Arbeitsverhältnisses uneingeschränkt. Wer mit einem gerichtlichen Vergleich eine abschließende Regelung erzielen möchte, sollte den Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses somit genau im Blick behalten.
Wird ein Vergleich vor dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen, bleibt der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch bestehen. Erst nach Beendigung kann über den entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch wirksam verfügt werden.


