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27. Mai 2025Lesedauer 3 Minuten

Verspätete Kündigungsschutzklage erfolgreich – positiver Schwangerschaftstest genügt nicht für die Kenntnis von Schwangerschaft

Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen besonderen Kündigungsschutz. Erlangen sie erst nach Ablauf der dreiwöchigen, mit dem Zugang der schriftlichen Kündigung beginnenden Klagefrist Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, ist die verspätet erhobene Kündigungsschutzklage auf ihren Antrag nachträglich zuzulassen. Für die positive Kenntnis vom Bestehen der Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung kommt es nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) auf die Feststellung des Arztes an (Urteil vom 3.4.2025 – 2 AZR 156/24).

 

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 14. Mai 2022 zu. Am 29. Mai 2022 machte die Klägerin einen Schwangerschaftstest, der positiv ausfiel und worüber sie die Beklagte noch am selben Tag informierte. Die Klägerin bemühte sich außerdem sofort um einen Termin bei ihrer Frauenärztin.

Am 13. Juni 2022 reichte die Klägerin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein und beantragte deren nachträgliche Zulassung. Nach ärztlicher Untersuchung am 17. Juni 2022 bestätigte sodann die Frauenärztin der Klägerin ihre Schwangerschaft in der „ca. 7 + 1 Schwangerschaftswoche“. Das ärztliche Attest reichte die Klägerin im Anschluss bei Gericht nach.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass ihre Klage (gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG) nachträglich zuzulassen sei. Ihre Schwangerschaft sei erst durch die Frauenärztin mit ausreichender Sicherheit festgestellt worden. Die Beklagte argumentierte, dass § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nicht einschlägig sei, da die Klägerin bereits durch den positiven Schwangerschaftstest Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt habe.

Die Vorinstanzen, das Arbeitsgericht Dresden und das LAG Sachsen, sowie das BAG bestätigten die Rechtsauffassung der Klägerin.

 

Ärztliche Feststellung der Schwangerschaft entscheidend

Nach der Entscheidung des BAG ist die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot zum Schutz von schwangeren Frauen unwirksam (nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 MuSchG i. V. m. § 134 BGB).

Die Vorschrift des § 7 Halbs. 1 KSchG fingiere die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung nicht. Denn die Klägerin habe die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung rechtzeitig geltend gemacht.

Zwar habe die Klägerin die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 S. 1 KSchG nicht gewahrt. Hierzu hätte sie bis zum 7. Juni 2022 die Kündigungsschutzklage bei Gericht einreichen müssen. Dies tat sie aber erst am 13. Juni 2022. Die verspätet erhobene Klage sei jedoch nachträglich gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG zuzulassen. Denn die Klägerin habe erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 4 S. 1 KSchG durch die ärztliche Feststellung der Schwangerschaft positive Kenntnis von dieser erlangt. Der Zeitpunkt des positiven Schwangerschaftstest sei hingegen nicht maßgeblich.

Dass die Klägerin den Antrag bereits am 13. Juni 2022 – mithin vorzeitig, also noch bevor das Hindernis im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG dadurch behoben wurde, dass die Klägerin am 17. Juni 2022 sichere Kenntnis von dem Vorliegen der Schwangerschaft zur Zeit der Kündigung erlangte – sei für die Fristwahrung unschädlich.

 

Fazit

Die Entscheidung des BAG ist überzeugend. Um sich als schwangere Frau auf den Sonderkündigungsschutz berufen zu können, muss diese Kenntnis von einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens haben. Hierfür ist die Feststellung eines Arztes erforderlich. Ein positiver Schwangerschaftstest genügt nicht. Denn dieser kann anders als bei einer ärztlichen Feststellung auch falsch positiv sein und hat damit eine geringe Aussagekraft.

Die Tatsache, dass die Klägerin den Arzttermin nicht abgewartet, sondern bereits zuvor den Antrag auf nachträgliche Zulassung sowie die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht hat, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Das LAG Sachsen hat hier zutreffend bemerkt, dass dieses Vorgehen bereits aus anwaltlicher Vorsicht notwendig war.

Die Entscheidung des BAG verdeutlicht einmal mehr, dass Arbeitgeber bei Kündigungen nicht alle Umstände einkalkulieren können. Ein Restrisiko, dass eine Kündigung beispielsweise aufgrund eines neu eingetretenen Sonderkündigungsschutzes unwirksam ist, verbleibt immer.