Abstract_Architectural_Shapes_P_0046

30. September 2025

Verfallklauseln bei Aktienoptionen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19. März 2025 (Az.: 10 AZR 67/24) seine Rechtsprechung zu Verfallklauseln bei (virtuellen) Aktienoptionen geändert. Die Gestaltung von  „Bad-Leaver“-Klauseln in Aktienoptionsplänen wird dadurch erheblich erschwert, wenn nicht sogar gänzlich verhindert. Das BAG öffnet allerdings eine Hintertür durch die Möglichkeit, einen schrittweisen Verfall von (virtuellen) Aktienoptionen vorzusehen, der spiegelbildlich zur Ansparphase verläuft. Arbeitgeber sind gehalten, ihre Aktienoptionspläne vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechungsänderung zu überprüfen.

 

„Bad-Leaver“-Klauseln

Mit der Gewährung von Aktienoptionen soll Arbeitnehmern das Recht auf den Bezug von Aktien des Unternehmens nach Ablauf einer Wartefrist gewährt werden. Über die Wartefrist werden die Optionsrechte häufig schrittweise angespart („gevestet“). Die Ausübung der Optionen und der Erwerb der Aktien ist nur innerhalb eines vorab festgelegten Ausübungszeitraums möglich.

Bei der Gewährung von virtuellen Aktienoptionen erhalten Arbeitnehmer keine Optionen auf echte Aktien sondern einen Zahlungsanspruch, der den Wert der virtuellen Aktien widerspiegelt. Der Zahlungsanspruch wird dabei einerseits von dem Ansparen entsprechender Optionen und zugleich regelmäßig vom Eintritt eines „Exit“-Falls abhängig gemacht. Ein solcher „Exit“-Fall meint im konkreten Fall die Generierung eines Erlöses aus dem Unternehmenswert (bspw. durch einen Börsengang oder Unternehmensverkauf), an dem die Optionsberechtigten beteiligt werden.

In beiden Varianten ist in der Praxis eine Regelung üblich, wonach die Optionen verfallen, wenn das Anstellungsverhältnis vor Ausübung der Optionen endet. Dabei differenzieren Arbeitgeber häufig nach dem Grund des Ausscheidens. Liegt der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Sphäre des Arbeitgebers („Good-Leaver“-Fälle), sollen nur die noch nicht angesparten Optionen verfallen. Der „Good-Leaver“ behält die bereits angesparten Optionen und kann diese auch noch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausüben. Liegt der Grund für die Beendigung dagegen in der Sphäre des Arbeitnehmers („Bad-Leaver“-Fälle), sollen alle Optionen verfallen, unabhängig davon ob diese schon angespart sind oder nicht.

 

Änderung der Rechtsprechung

Auf der Grundlage einer Entscheidung des BAG vom 28. Mai 2008 (Az.: 10 AZR 351/07) wurden derartige Verfallklauseln in Aktienoptionsplänen lange Zeit für zulässig gehalten. Das BAG hatte damals zu echten Aktienoptionen entschieden, dass Arbeitnehmer aufgrund des spekulativen Charakters von Aktienoptionen auch bei guten Leistungen nicht sicher mit einer Werthaltigkeit der Optionen rechnen können. Aus diesem Grund wurden auch Verfallklauseln bei Aktienoptionen in weiterem Maße als bei anderen Vergütungsbestandteilen für zulässig erachtet.

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun jedenfalls für virtuelle Aktienoptionen aufgegeben. Eine Verfallklausel bei (virtuellen) Aktienoptionen, die vorsehe, dass zugunsten des Arbeitnehmers angesparte virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung sofort verfallen, benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und sei daher unwirksam.

Ob Verfallklauseln, die einen sofortigen Verfall von angesparten Aktienoptionsrechten für „Bad Leaver“ vorsehen, überhaupt noch – in sehr engen Grenzen – möglich sind, erscheint auf Grundlage der aktuellen Entscheidung zumindest zweifelhaft. Jedenfalls die praxisüblichen „Bad-Leaver“-Klauseln sind aber nach der neueren Rechtsprechung bei virtuellen Aktienoptionen Geschichte.

Offen ist allerdings noch, ob diese Rechtsprechung von den Gerichten auch auf echte Aktienoptionen übertragen werden wird. Die Begründung des BAG zur Unzulässigkeit passt allerdings auch auf solche Fälle.

 

Schrittweiser Verfall

Für virtuelle Optionen eröffnet das BAG in derselben Entscheidung eine Möglichkeit, bei (virtuellen) Aktienoptionen den Verfall von angesparten Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu regeln. Die Entscheidung hatte auch eine Regelung zum Gegenstand, die den schrittweisen Verfall aller angesparten Optionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsah. Die konkrete Regelung erachtete das BAG zwar für unwirksam, weil der Verfall doppelt so schnell erfolgen sollte, wie die Optionen angespart wurden.

Das BAG betonte dabei aber, dass es grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sei, eine solche schrittweise Verfallklausel vorzusehen, weil der Einfluss des Arbeitnehmers auf den Unternehmenswert, an dem er mittelbar über die virtuellen Optionen beteiligt werden soll, mit der Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abnehme. Allein die Tatsache, dass im konkreten Fall der Verfall schneller erfolgte als die Optionen angespart wurden, verleitete das BAG dazu, die Regelung für unwirksam zu halten. Dabei deutete das BAG allerdings an, dass eine Regelung, die einen zum Ansparen spiegelbildlichen Verfall vorsieht, wirksam sein könnte.

Auch hier bleibt abzuwarten, ob diese Rechtsprechung auf echte Aktienoptionen übertragen werden wird.

 

Offene Fragen:

Nicht entschieden ist, ob diese Regeln auch dann gelten, wenn die Optionen nicht vom Arbeitgeber, sondern einer anderen Konzerngesellschaft gewährt werden. Wir gehen davon aus, dass die Rechtsprechung diese Frage nach den gleichen Grundsätzen entscheiden wird, die auch bei der Frage der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG angewandt werden. Es wird darauf ankommen, ob die Optionen dem Vertragsarbeitgeber zuzurechnen sind. Dabei kommt es auf eine Vielzahl von Sachverhaltsdetails an. Zu nennen sind etwa die Bezugnahme auf die Optionen im Arbeitsvertrag oder im Total Compensation Statement und die Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Entscheidung über die Gewährung.

Häufig werden Aktienoptionen an Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder gewährt. Streitigkeiten  mit Organmitgliedern werden nicht vor den Arbeitsgerichten, sondern vor den Zivilgerichten ausgetragen. Zwar gilt auch dort das Organmitglied als Verbraucher, so dass grundsätzlich eine AGB-Kontrolle stattzufinden hat. Bei der Beurteilung einer Vertragsklausel als unangemessene Benachteiligung sind die Zivilgerichte allerdings weniger streng. Es lässt sich daher durchaus erwarten, dass vor den Zivilgerichten eine Verfallklausel Akzeptanz finden wird.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Dr. Hans-Peter Löw im Betriebs-Berater.