
2. Juli 2025 • Lesedauer 3 Minuten
Grenzen bei der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats
Die Möglichkeit der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats eröffnet den Tarifparteien oder – sofern der gesetzliche Tarifvorbehalt nicht greift – den Betriebsparteien Gestaltungsspielräume. Doch diese sind nicht unbegrenzt. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg vom 24. Oktober 2024 (Az. 5 TaBV 6/24), die sich mit der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl aufgrund einer fehlerhaften Strukturbetriebsvereinbarung befasst.
Strukturvereinbarungen
Bezugspunkt bei der Gründung eines Betriebsrats ist der Betrieb, für den der Betriebsrat später zuständig sein wird. Die Bestimmung eines Betriebes führt in der Praxis jedoch zu Unsicherheiten. Beispielsweise stellt sich oftmals die Frage, ob jede Filiale ein eigener Betrieb ist. Eine falsche Bewertung kann zur Folge haben, dass eine Betriebsratswahl unwirksam ist oder dass die Bildung lokaler Betriebsräte unterbleibt, obwohl diese den Interessen der Arbeitnehmer entsprochen hätte.
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eröffnet die Möglichkeit, solche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Betriebes zu umgehen. Mithilfe eines sogenannten Strukturtarifvertrags oder einer Strukturbetriebsvereinbarung können die Tarif- oder Betriebsparteien eine abweichende Betriebsratsstruktur vereinbaren und so die gesetzliche Mitbestimmungsstruktur an die praktischen Bedürfnisse des Unternehmens anpassen. Ein Freifahrtschein für die Bildung unternehmenseinheitlicher Betriebsräte wird hiermit jedoch keineswegs geschaffen, wie der Beschluss des LAG Nürnberg zeigt.
Gerichtliche Konkretisierung der Voraussetzungen
1. Grundsatz der Ortsnähe
Das LAG betont – in Zeiten von Videokonferenzen, Homeoffice und mobilem Arbeiten doch recht überraschend – dass die persönliche Kommunikation für das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeitenden und Betriebsrat maßgeblich und unverzichtbar ist. Eine Strukturvereinbarung sei demnach unwirksam, wenn die Parteien zu weit voneinander entfernt seien und keine ausreichende Betreuung sichergestellt werden könne.
2. Angemessene Größe des Betriebsratsgremiums
Weiterhin sei eine effektive Wahrnehmung der gesetzlichen Betriebsratsaufgaben durch eine ausreichende Anzahl an Mitgliedern notwendig. Im vorliegenden Fall hielt das LAG die in der Strukturvereinbarung vorgesehene Anzahl an Betriebsratsmitgliedern für zu niedrig, obwohl die Betriebsparteien sich insofern an die gesetzlichen Vorgaben zur Größe regulärer Betriebsräte gehalten hatten.
Eine unangemessene Größe könne auch nicht durch den Einsatz von nicht zum Betriebsrat gehörenden Hilfspersonen kompensiert werden. Die Betriebsparteien hatten im vorliegenden Fall eine Vielzahl sogenannter Kommunikationsbeauftragte eingesetzt. Der Einsatz entsprechender Personen wird von der Rechtsprechung gemeinhin nicht beanstandet, sofern sie lediglich Informationsmaterialien des Betriebsrats weiterleiten und diese Tätigkeit auf Botendienste beschränkt ist. Die Tätigkeiten der Kommunikationsbeauftragten gingen nach Auffassung des Gerichts hier deutlich über solche Botendienste hinaus. Insbesondere hätten die Kommunikationsbeauftragten den Arbeitnehmern zum Meinungsaustausch zur Verfügung gestanden, Betriebsvereinbarungen erklärt und beratend in Fachausschüssen mitgewirkt.
Praxishinweis
Das Bundesarbeitsgericht hat bislang nicht für hinreichend Klarheit bei der Gestaltung von Strukturvereinbarungen gesorgt. Hierzu wird es im nun anhängigen Verfahren (Az. 7 ABR 8/25) möglicherweise Gelegenheit haben. Für die eine Strukturvereinbarung abschließenden Parteien bleibt weiterhin unklar, wie viele Mitglieder ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat haben kann und muss. Arbeitgeber sollten sich eingehend zu den möglichen Risiken beraten lassen und insbesondere auch die alternative Möglichkeit der Zusammenfassung von Betrieben in Erwägung ziehen.


