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25. April 2025Lesedauer 4 Minuten

Fortfall eines Großauftrags – Betriebsbedingte Kündigung?

Betriebsbedingte Kündigungen sind oft unausweichlich, wenn Unternehmen mit wirtschaftlichen Herausforderungen oder strukturellen Veränderungen konfrontiert werden. In einem aktuellen Urteil hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 15. Januar 2025 (Az. 3 SLa 156/24) entschieden, dass eine betriebsbedingte Kündigung auch gerechtfertigt sein kann, wenn ein Großauftrag entfällt und der Betrieb infolgedessen im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung seine Personalplanung neu ausrichtet.

 

Sachverhalt

Der Beklagte betreibt ein Unternehmen für Mietwagen- und Taxifahrten. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren dort 23 Arbeitnehmer, einschließlich der Klägerin, beschäftigt. Aufgrund eines Vertrags mit einer Verkehrsgesellschaft führte der Beklagte bis zum Wegfall des Großauftrags am 31. Oktober 2023 nahezu den gesamten Rufbusverkehr in einem Landkreis als Exklusivleistung durch. Teil der vertraglichen Verpflichtung war es, an allen Wochentagen rund um die Uhr für die Annahme von Rufbusfahrten erreichbar zu sein.

Dafür waren bei dem Beklagten fünf Disponentinnen beschäftigt (eine davon in Elternzeit), deren Hauptaufgabe darin bestand, die Taxi-, Kranken- und insbesondere Rufbusfahrten zu organisieren. Der Wegfall des Großauftrags führte zu einem erheblichen Rückgang der zu disponierenden Fahrten: statt durchschnittlich 6.000 Rufbus- und 740 Taxi-/Krankenfahrten pro Monat mussten ab dem 1. November 2023 insgesamt nur noch etwa 20 bis 30 Fahrten täglich (ca. 760-970 Fahrten monatlich) disponiert werden.

Angesichts des signifikanten Auftragswegfalls entschied der Beklagte, künftig keine Disponentinnen mehr zu beschäftigen. Die verbliebenen Disponententätigkeiten sollten durch eine Büromitarbeiterin und eine umgestellte Arbeitsorganisation abgedeckt werden. Den übrigen Disponentinnen wurde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Fahrerin angeboten. Da die Klägerin über keine Fahrerlaubnis verfügte, erhielt sie am 15. April 2024 eine betriebsbedingte Kündigung.

Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und argumentierte, der Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb ihr Arbeitsplatz entfallen sei. Insbesondere könnten die verbleibenden Disponententätigkeiten nicht von einer Büromitarbeiterin allein bewältigt werden. Außerdem sei die Sozialauswahl fehlerhaft erfolgt. Das Arbeitsgericht Schwerin wies die Klage ab und sah die betriebsbedingte Kündigung als gerechtfertigt an.

 

Entscheidung des Gerichts

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern wies die Berufung zurück. Das Gericht erkannte in dem Wegfall des Großauftrags und der daraufhin getroffenen unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des Betriebs ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG und bestätigte die Wirksamkeit der Kündigung.

Das Gericht hielt die Entscheidung des Beklagten, infolge der erheblich geringeren Anzahl der zu disponierenden Fahrten, die Disponentenstellen vollständig zu streichen, für nachvollziehbar und sachlich begründet.

Entscheidend war, dass der Beklagte die Umsetzung der organisatorischen Maßnahme sowie den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs nachvollziehbar darlegen konnte. Der Beklagte konnte im Prozess darlegen, dass sich die Disponententätigkeiten dauerhaft erheblich verringert hatten und die verbleibenden Aufgaben ohne übermäßige Mehrarbeit von der Büromitarbeiterin sowie durch eine direkte Rufweiterleitung an die Fahrer abgedeckt werden konnten. Insofern sei zu berücksichtigen gewesen, dass die administrativen Aufgaben der Büromitarbeiterin nach dem Wegfall der Rufbusaufträge ebenfalls zurückgegangen waren. Zuletzt hatte der Beklagte auch vorgetragen, dass Fahrten bei mangelnden Kapazitäten schlicht nicht angenommen werden. Das Gericht sah hierin eine unternehmerische Abwägungsentscheidung, die das Gericht nicht zu überprüfen habe.

Eine anderweitige Weiterbeschäftigung der Klägerin war nicht möglich. Insbesondere kam eine Tätigkeit als Fahrerin aufgrund fehlender Fahrerlaubnis nicht in Betracht. Auch die Sozialauswahl wurde nach Auffassung des Gerichts korrekt durchgeführt. Die verbliebenen Disponentinnen konnten durch Änderungsverträge auf Fahrerstellen versetzt werden. Zu den im Büro tätigen Mitarbeitern bestand keine Vergleichbarkeit.

 

Praxishinweise

Die Entscheidung bestätigt, dass der Wegfall eines Großauftrags eine unternehmerische Entscheidung rechtfertigen kann, die eine betriebsbedingte Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG trägt. Dabei schließt sich das Gericht auch den Maßstäben des BAG (Urteil vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10) an, wonach das Gericht unternehmerische Entscheidungen nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin überprüft, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind.  Nachzuprüfen ist allerdings die tatsächliche Umsetzungsmöglichkeit der fraglichen Entscheidung und ob dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer entfallen ist.

Während das BAG im genannten Fall die Kündigung mangels Darlegung der tatsächlichen Umsetzungsmöglichkeit der unternehmerischen Entscheidung für unwirksam hielt, konnte der Arbeitgeber in diesem Fall das Gericht von der Wirksamkeit der Kündigung überzeugen. Es reichte insofern aus, die Umsetzung der organisatorischen Maßnahme und deren Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Wie sehr ein Gericht bei der Prüfung dieser Plausibilität ins Detail geht, hängt indes vom Einzelfall ab. Arbeitgebern ist vor diesem Hintergrund zu empfehlen, die Auswirkungen einer Restrukturierung auf den Personalbedarf in Vorbereitung auf mögliche Prozesse stets möglichst detailliert aufzuschlüsseln.