Was plant die schwarz-rote Koalition im Arbeitsrecht?
Am 5. Mai 2025 haben die Parteispitzen der CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag zur 21. Legislaturperiode unterzeichnet. In arbeitsrechtlicher Hinsicht enthält dieser einige teils sehr konkrete Vorhaben. Für Arbeitgeber dürften insbesondere die nachstehenden Ankündigungen von Interesse sein:
Mindestlohn
Die Koalitionspartner bekennen sich zum Mindestlohn und halten an der Mindestlohnkommission als unabhängigem Gremium fest. Die Mindestlohnkommission, bestehend aus Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft, gibt regelmäßig alle zwei Jahre einen Vorschlag zur Anpassung des Mindestlohns ab, der von der Bundesregierung per Rechtsverordnung umgesetzt wird. Bei der Festlegung eines Vorschlags soll sich die Kommission in Zukunft sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns1 von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Die Koalitionspartner halten einen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 auf diesem Weg für „erreichbar“. Ob dies tatsächlich erzielt werden kann, steht allerdings nicht fest.
Tarifbindung
Eine höhere Tarifbindung nennt die Koalition ausdrücklich als eines ihrer Ziele. Zu diesem Zweck wird ein Bundestariftreuegesetz in Aussicht gestellt. Aufträge des Bundes ab einem bestimmten Wert dürften hiernach nur an solche Unternehmen vergeben werden, die ihre Arbeitnehmer nach einem repräsentativen Tarifvertrag der jeweiligen Branche vergüten. Ein entsprechendes Gesetzesvorhaben der bisherigen Regierung um Kanzler Scholz war vor der Konstituierung des neuen Bundestages im März nicht mehr zustande gekommen. Gegenüber dem damals vorgelegten Entwurf sieht der Koalitionsvertrag angehobene Auftragswerte vor. Ob der Entwurf im Übrigen übernommen werden wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls setzen sich die Koalitionspartner zum Ziel, „Bürokratie, Nachweispflichten und Kontrollen“ auf ein „absolutes Minimum“ zu begrenzen.
Arbeitszeit
Im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie soll die „Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ geschaffen werden. Hierzu wollen die Koalitionspartner zunächst einen Dialog mit den Sozialpartnern führen. Auch im Übrigen besteht spätestens seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2022 (Az. 1 ABR 22/21) Reformbedarf. Das BAG hatte – eine Entscheidung des EuGH (Rs. 55/18 CCOO) aufgreifend – klargestellt, dass Arbeitgeber ein System einführen müssen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten erfasst werden. Das Arbeitszeitgesetz ist bisher nicht entsprechend angepasst worden. Die Koalitionspartner wollen laut Koalitionsvertrag die Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeiten „unbürokratisch regeln“ und dabei „angemessene Übergangsregeln“ für kleine und mittlere Unternehmen vorsehen.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
Kollektivrechtlich bleibt der Koalitionsvertrag eher vage. Konkret sind zwar die angekündigte Ermöglichung von Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen als „gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten“, sowie die Option, den Betriebsrat auch online zu wählen. Im Übrigen sehen die Koalitionspartner Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt allerdings schlicht als besondere Herausforderungen und wollen „die richtigen Rahmenbedingungen“ setzen, damit diese sozialpartnerschaftlich gelöst werden. Hinzukommt ein nicht näher umschriebenes digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe. Ein solches hatte das BAG noch im Januar 2025 (Az. 1 AZR 33/24) mangels Tätigwerdens des Gesetzgebers abgelehnt.
Elterngeld
Für Arbeitgeber dürfte außerdem von Interesse sein, dass die Koalitionspartner das staatlich finanzierte Elterngeld weiterentwickeln wollen, insbesondere durch eine Erhöhung der Mindest- und Höchstbeträge, eine Anhebung der Erwerbsgrenze und eine „Ende-zu-Ende-Digitalisierung“. Praktisch könnte dies dazu führen, dass mehr Arbeitnehmer die Möglichkeit der Elternzeit in Anspruch nehmen.
Abbau von Schriftformerfordernissen
In Sachen Digitalisierung nehmen sich die zuletzt Koalitionspartner außerdem den Abbau von Schriftformerfordernissen vor. Genannt wird ausdrücklich das Schriftformerfordernis bei Befristungen.
Praxishinweise
Ein Bekenntnis zum Bürokratieabbau liest man im Koalitionsvertrag weitaus mehr als einmal. Dies gilt auch für verschiedene der arbeitsrechtlichen Vorhaben. Wie sehr die schwarz-rote Koalition diesem Anspruch gerecht werden wird, dürfte frühestens bei Vorlage der entsprechenden Gesetzesentwürfe abzuschätzen sein. Bis dahin sollten Arbeitgeber sich regelmäßig über den Stand der Entwicklungen informieren.
1Dies bezeichnet das Bruttoeinkommen, von dem aus die Anzahl der Personen mit niedrigerem Einkommen ebenso groß ist wie die der Personen mit höherem Einkommen.