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13. März 2024Lesedauer 4 Minuten

Zuschläge als Teil des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nur unter bestimmten Voraussetzungen

Das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) war mit der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds befasst, dass die Zahlung von Zuschlägen verlangte (Urteil vom 13. Juni 2023,12 Sa 1294/22). Das LAG stellte klar, dass zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt grundsätzlich auch Nebenbezüge, wie etwa Schichtzulagen, zählten; entscheidend sei jedoch, dass diese bei hypothetischer Betrachtung während der Arbeitsbefreiung angefallen wären. Vorliegend habe der klagende Arbeitnehmer seine Betriebsratstätigkeit eigenverantwortlich auf eine nicht zuschlagsfähige Arbeitszeit verschoben. Die unterbliebene Zahlung von Zuschlägen beruhe daher nicht auf seiner Freistellung.

 

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer ist bei der beklagten Arbeitgeberin seit 1999 als Rettungssanitäter beschäftigt und seit 2018 mit einem Zeitanteil von 50% seiner Arbeitszeit als Mitglied des Betriebsrats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Vor dem Beginn der Freistellung war der Kläger ausschließlich in Wechselschicht tätig. Für diese erhält er eine Wechselschichtzulage. Seit seiner Freistellung ist er im Umfang der verbleibenden Arbeitspflicht in Wechselschicht tätig. Die Betriebsratstätigkeiten führt er zu üblichen Bürozeiten aus, in denen keine Zuschläge anfallen; insbesondere führt er die Betriebsratstätigkeit nicht in Wechselschicht aus.

Die Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds beruht auf dem Lohnausfallprinzip sowie dem Mindestvergütungsanspruch (§ 37 Abs. 2 und 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Zudem normiert das BetrVG ein allgemeines Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot (§ 78 S. 2 BetrVG). Gemäß dem Lohnausfallprinzip schuldet der Arbeitgeber keine gesonderte Vergütung für das Ehrenamt, sondern die Fortzahlung des ursprünglichen Lohns. Zu dem Arbeitsentgelt iSv § 37 Abs. 2 BetrVG zählen sämtliche Vergütungsbestandteile und damit auch Zuschläge, die für die Erschwernis der Tätigkeit zu ungünstigen Zeiten gewährt werden (etwa Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit).

Das LAG hielt fest, dass zum Arbeitsentgelt keine Vergütungsbestandteile zählen, die das Betriebsratsmitglied vor der Amtsübernahme bezogen hat, die jedoch wegen einer geänderten Arbeitszeitlage in Bezug auf die Betriebsratstätigkeit nicht mehr anfallen. Verlegt das Betriebsratsmitglied seine Tätigkeit auf eine nicht zuschlagsfähige Arbeitszeit, ohne dass dies für die Erbringung der Betriebsratstätigkeit notwendig ist, fällt kein Zuschlag an. Der Verlust des Zuschlags beruht dann nicht auf der Arbeitsbefreiung aufgrund notwendiger Betriebsratsarbeit, sondern auf dem Umstand, dass die Arbeitszeit seitens des Betriebsratsmitglieds auf eine nicht zuschlagsfähige Arbeitszeit verschoben wurde. Das LAG wies auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 18. Mai 2016 – 7 AZR 401/14) hin; bei dieser habe es zwar – anderes als vorliegend – eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien über die Verschiebung der Arbeitszeiten gegeben. Maßgeblich sei jedoch, dass der Kläger – wie vorliegend – die geänderten Zeiten eigenverantwortlich gewählt hat.

Dem Kläger sei zuzubilligen, dass er einen Teil der Betriebsratstätigkeit nur zu üblichen Geschäftszeiten ausführen könne. Allerdings stünde dies nicht der grundsätzlichen Möglichkeit einer Ausübung der Betriebsratstätigkeit im 4-Schichtsystem, äquivalent zu seiner Tätigkeit als Sanitäter, entgegen. Denn sowohl Vor- als auch Nachbereitungsarbeiten könnten unproblematisch nachts oder an Sonn- und Feiertagen verrichtet werden. Der Kläger habe sich jedoch eigenverantwortlich für eine Ausführung der Betriebsratstätigkeit zu üblichen Geschäftszeiten entschieden. Damit stehen ihm keine Wechselschichtzulagen zu, da diese in den Zeiten, in denen er die Betriebsratstätigkeit verrichtet, nicht zu erbringen sind.

Das LAG fügte hinzu, dass ein Anspruch auf Zahlung der Zuschläge auch nicht aus dem allgemeinen Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot folge (§ 78 S. 2 BetrVG). Zwar erhalte der Kläger im Gegensatz zu seinen Kollegen, die im Wechselschichtsystem tätig sind, die gegenständlichen Zulagen nicht; er ist allerdings mit diesen auch nicht vergleichbar. Denn die besonderen Erschwernisse des Schichtsystems treffen ihn gerade nicht.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung des LAG führt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung von Zuschlägen bei der Betriebsratsvergütung konsequent fort. Die Klarheit, mit der das LAG die Rechtsfolge des Umstands, dass der Kläger die Zeiten seiner Betriebsratstätigkeit eigenverantwortlich gewählt hat, einordnet, ist begrüßenswert. Arbeitgeber sollten bei der Betriebsratsvergütung genau hinschauen, insbesondere wenn es um Betriebsratsmitglieder geht, die üblicherweise im Schichtsystem tätig sind und entsprechende Zuschläge erhalten. Diese Zuschläge können je nach zeitlicher Lage der Betriebsratstätigkeit entfallen.

Das vollständige Urteil finden Sie hier.