
2. Oktober 2025
Tattoo mit Folgen: Keine Entgeltfortzahlung bei Entzündung
Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung – jedoch nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet ist. Lässt sich ein Arbeitnehmer tätowieren und entzündet sich die Tätowierung im Nachgang, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung für die Zeit der auf der Infektion beruhenden Arbeitsunfähigkeit verweigern. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. 5 Sa 284 a/24) entschieden.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine als Pflegehilfskraft beschäftigte Arbeitnehmerin, ließ sich privat ein Tattoo auf dem Unterarm stechen. Wenige Tage später kam es zu einer Entzündung der tätowierten Hautpartie, die eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte. Die Arbeitgeberin verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, die Erkrankung sei selbst verschuldet. Die Klägerin argumentierte, die Entzündung sei eine seltene Komplikation (1 bis 5 % der Fälle) und nicht vorhersehbar gewesen. Zudem sei die Tätowierung Teil ihrer geschützten privaten Lebensführung. Das Arbeitsgericht Flensburg wies die Klage ab. Die Klägerin legte Berufung ein.
Entscheidung des LAG
Doch auch die Berufung der Klägerin vor dem LAG Schleswig-Holstein blieb erfolglos. Die Klägerin habe gegen ihre beklagte Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes, da sie ihre Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet habe.
Aus den Umständen des Einzelfalls ergebe sich, dass die Klägerin nicht nur die eigentliche Tätowierung vorsätzlich herbeiführte, sondern auch hinsichtlich der Entzündung bedingt vorsätzlich handelte. Denn sie habe damit rechnen müssen, dass Komplikationen auftreten.
Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass Entzündungen nach Tätowierungen in bis zu 5 % der Fälle auftreten können. Komplikationen seien daher nicht völlig fernliegend. Zur Einordnung verwies das Gericht auf Medikamente: Eine Nebenwirkung wird dort bereits als “häufig” bezeichnet, wenn sie bei mehr als 1 %, aber weniger als 10 % der Fälle auftritt.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin als Pflegehilfskraft einen körperlich anstrengenden Beruf mit engem Patientenkontakt ausübt, sodass in dem zu entscheidenden Fall sogar von einer höheren Infektionswahrscheinlichkeit als 5 % auszugehen sei.
Die Entscheidung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung zu sportbedingten Verletzungen und mit den Bestimmungen des fünften Sozialgesetzbuches, wonach die Zahlung von Krankengeld bei medizinisch nicht indizierten ästhetischen Maßnahmen versagt werden kann.
Praxishinweis
Das Urteil des LAG Schleswig-Holstein ist eine Warnung an Arbeitnehmer: Wer durch ästhetische Eingriffe freiwillig ein vermeidbares Gesundheitsrisiko eingeht, kann im Krankheitsfall seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung verlieren. Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Position in Sachen Entgeltfortzahlung. In Zweifelsfällen sollte geprüft werden, ob die Umstände ein Verschulden des betroffenen Arbeitnehmers nahelegen.


