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11. April 2024Lesedauer 4 Minuten

Gesetzesentwurf: Neue Regelungen zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern auf dem Weg

Die Bundesregierung hat als Reaktion auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vorgelegt (BT-Ds. 20/9469). Überwiegend haben die Ergänzungen des § 37 Abs. 4 und § 78 BetrVG Klarstellungsfunktion. Neu ist allerdings die Erweiterung in § 37 Abs. 4 BetrVG, wonach bei Vorliegen eines sachlichen Grundes eine Neubestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer möglich ist. Bislang ist der Zeitpunkt unmittelbar vor der erstmaligen Amtsübernahme der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer.

 

Grundsätze zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Die Mitglieder des Betriebsrats führen nach § 37 Abs. 1 BetrVG ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Das BetrVG nennt hinsichtlich der Ermittlung des Arbeitsentgelts für die Dauer der Betriebsratstätigkeit zwei Grundsätze: § 37 Abs. 4 BetrVG normiert einen Mindestvergütungsanspruch, § 78 S. 2 BetrVG sieht ein allgemeines Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot, u.a. im Hinblick auf die berufliche Entwicklung und der damit verbundenen Entgeltentwicklung, vor.

 

BGH: Keine Berücksichtigung einer Sonderkarriere

Anfang dieses Jahres hatte der sechste Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem medial brisanten Verfahren darüber zu entscheiden, ob sich der VW-Vorstand der Untreue schuldig gemacht hat, indem dieser den Betriebsräten entgegen den eingangs genannten Grundsätzen ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährte (BGH, Urteil vom 10. Januar 2023 – 6 StR 133/22). Das Gericht führte aus, dass die im Betriebsratsamt erworbenen Qualifikationen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen, keine Berücksichtigung bei der Bemessung der Vergütung finden dürfen. Es verbiete sich, auf die hypothetische Gehaltsentwicklung des Betriebsrats bei einer Sonderkarriere abzustellen. Der Senat nahm an, dass bei Berücksichtigung dieser Aspekte bei der Ermittlung der Vergütung ein zu hohes Arbeitsentgelt vorliegen kann, was eine Begünstigung i.S.d. § 78 S. 2 BetrVG darstelle und somit eine Untreuestrafbarkeit der Führungskräfte in Betracht kommt.

 

Gesetzesentwurf lässt Fragen offen

Die Entscheidung des BGH sorgte für große Rechtsunsicherheit bei der Anwendung der Vergütungsregelungen im BetrVG. Die Bundesregierung legte daher einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vor.

§ 37 Abs. 4 BetrVG soll dahingehend erweitert werden, dass hinsichtlich der Bildung der Vergleichsgruppe des Betriebsratsmitglieds mit ähnlichen Arbeitnehmern die Übernahme des Betriebsratsamts der maßgebliche Zeitpunkt sei, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliege (§ 37 Abs. 4 S. 3 BetrVG n.F.). Die sachlichen Gründe werden in der Gesetzesbegründung allerdings nicht konkretisiert. Als einziges Beispiel wird der Fall benannt, dass bei einem Betriebsratsmitglied, das die Anforderungen einer höherdotierten Stelle erfüllt und mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Änderungsvertrag schließt, die Vergleichsgruppe neu zu bestimmen sei. Zudem wird in den neuen Sätzen 4 und 5 klargestellt, dass die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer treffen können. Die in einem solchen Verfahren festgelegte Vergleichsgruppe kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Der neue Satz 3 in § 78 BetrVG soll laut der Gesetzesbegründung Kriterien vorgeben, an denen sich die benachteiligungs- und begünstigungsfreie Entgeltgewährung orientieren kann. Hiermit würde der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu einem „fiktiven Beförderungsanspruch“ Rechnung getragen werden: Eine Begünstigung oder Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds im Hinblick auf das gezahlte Entgelt liege nicht vor, wenn der jeweilige Amtsträger bezogen auf im Betrieb konkret vorhandene Arbeitsplätze die für die Gewährung des Entgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt. Die Festlegung der hypothetischen Gehalts- und Karriereentwicklung darf nicht ermessensfehlerhaft erfolgen.

Während der BGH keine hypothetischen Sonderkarrieren berücksichtigen wollte, wird in der Gesetzesbegründung in Bezug auf den neuen § 78 S. 3 BetrVG ausgeführt, dass bei der Stellenbesetzung auch die durch und während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen Berücksichtigung finden sollen, soweit sie im Unternehmen auch außerhalb des Betriebsratsamts für die jeweilige Stelle karriere- und vergütungsrelevant seien. Es bleibt jedoch für den Rechtsanwender offen, in welcher Form und in welchem Umfang diese bei der Bemessung der Vergütung zu berücksichtigen sein werden.

 

Praxishinweis

Sollte es zu der anvisierten Gesetzesänderung kommen, bleibt die Ermittlung der korrekten Vergütung von Betriebsräten in der Praxis problembehaftet. Zu begrüßen ist zwar die Möglichkeit der Betriebsparteien, eigene betriebliche Regelungen im Hinblick auf konkrete Vergleichsgruppen und abstrakte Vergleichskriterien zu vereinbaren. Wie genau jedoch Arbeitgeber die während der Amtstätigkeit erworbenen Kenntnissen im Einzelfall berücksichtigen dürfen, würde sich erst durch die Rechtsprechung konkretisieren. Noch ist nicht absehbar, in welcher konkreten Fassung das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes verabschiedet wird. Als nächstes steht die 2. Lesung im Bundestag an. Hierbei sind Änderungsvorschläge zu erwarten. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.