Regelungen in einer Betriebsvereinbarung zu Arbeitszeitkonten – Fokus Betriebsrisiko
Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem Umfang der Arbeitnehmer der geschuldeten Hauptleistungspflicht nachgekommen ist. Der Arbeitgeber darf nicht ohne Befugnis in ein Arbeitszeitkonto eingreifen. Im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 15. September 2023, Az. 4 Sa 385/23) stritten die Parteien darüber, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, die Zeiten in den für den Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonten einseitig miteinander zu verrechnen.
Der Fall
Bei der beklagten Arbeitgeberin existiert eine Betriebsvereinbarung zum Thema Arbeitszeit (BV Arbeitszeit). Diese sieht unter anderem ein Soll- und ein Stundenkonto vor. Im Sollkonto sind die von den Beschäftigten zu leistenden Stunden als Minus aufgeführt. Dieses Minus soll zum Ende des Jahres durch Arbeitsleistung, Urlaub und sonstige bezahlte Freischichten abgebaut werden. Es gibt auch Arbeitsstunden, die nicht in Form von Schichten geleistet werden, etwa Fortbildungen oder Tagesdienste. Diese werden, da sie nicht immer in das Schema des Sollkontos passen, im Stundenkonto gutgeschrieben. Die zu leistenden Schichten werden von der Arbeitgeberin zugeteilt.
Der Kläger sollte laut Arbeitsvertrag jährlich in 120 Schichten eingeteilt werden. Die Arbeitgeberin allein hatte es in der Hand, die Arbeitnehmer in Schichten einzuteilen. § 4 der BV regelt unter anderem, dass bei 16 Stunden auf dem Stundenkonto diese als eine Schicht vom Sollkonto abgezogen oder in das Lebensarbeitszeitkonto eingebracht werden können. Die Arbeitgeberin teilte den Kläger nicht wie arbeitsvertraglich vereinbart im Umfang von jährlich 120 Schichten ein, sondern buchte Guthaben von dem Stundenkonto auf das Sollkonto, um dort die fehlenden Stunden auszugleichen. Sie nahm die Umbuchung des Stundenguthabens jeweils ohne Zustimmung des Klägers vor.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln stellte fest, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, die der Arbeitgeberin erlaubt, einseitig die Stunden zwischen dem Stunden- und Sollkonto zu verschieben, unwirksam ist. Denn mit einer solchen Regelung würde das Betriebsrisiko in unrechtmäßiger Weise auf die Belegschaft übertragen. Das Betriebsrisiko beschreibt Umstände, bei denen die Arbeitsleistung des arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitsnehmers aus im Betrieb liegenden Gründen unterbleibt. Der Arbeitsausfall ist ein Fall des Betriebsrisikos. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen (§ 615 BGB). Diese Regelung ist zwar abdingbar, d.h. Arbeitgeber dürfen hiervon abweichen. Es besteht jedoch eine Grenze für die Abweichung insoweit, dass der Arbeitgeber das Arbeitsentgeltrisiko nicht generell auf den Arbeitnehmer verlagern darf. Dies ist vorliegend jedoch geschehen. Indem die Arbeitgeberin frei darüber entscheiden darf, inwieweit sie Stunden von dem Stunden- auf das Sollkonto verschiebt, wäre sie im Falle eines Arbeitsausfalls – aus welchen Gründen auch immer – in der Lage, Mitarbeiter mit entsprechendem Guthaben auf dem Stundenkonto nicht mehr einzusetzen. Dies wiederum hätte zur Folge, dass der Arbeitsausfall und damit die Realisierung des Betriebsrisikos keinerlei finanzielle Konsequenzen für die Arbeitgeberin hätte. Trotz des Arbeitsausfalls, der ein erhebliches Betriebsrisiko darstellt, müsste die Arbeitgeberin nur die Stunden aus der Vergangenheit vergüten. Das finanzielle Risiko des Arbeitsausfalls würde von den Mitarbeitern getragen.
Das Gericht würdigte, dass ein negatives Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto einen Lohnvorschuss des Arbeitgebers darstellt und eine Verrechnung mit sonstigen Vergütungsansprüchen grundsätzlich möglich ist. Dies ist allerdings nur der Fall, soweit der Arbeitnehmer frei darüber entscheiden kann, ob und in welchem Umfang das negative Guthaben entsteht. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Die Mitarbeiter haben es nicht in der Hand, negatives Guthaben zu verhindern, da allein die Arbeitgeberin die Entscheidung über die Zuteilung der Schichten trifft.
Praxishinweis
Wie von dem Landesarbeitsgericht Köln richtig dargestellt, ist die Regelung des § 615 BGB abdingbar, soweit der Arbeitgeber nicht das finanzielle Risiko des Arbeitsausfalls und damit des Entgeltausfalls in Gänze auf den Arbeitnehmer überträgt. Eine Abwälzung des Risikos ist möglich, sofern der Arbeitnehmer allein darüber entscheidet, ob negatives Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto entsteht. Möchte dagegen der Arbeitgeber die Entscheidungsmacht darüber haben, welche Arbeitnehmer er wie oft und wann einsetzt, ist eine Verschiebung des Entgeltrisikos nicht möglich. Der Arbeitgeber sollte daher bei Ausgestaltungen von Vereinbarungen zu Arbeitszeitkonten genau abwägen, inwieweit er den Arbeitnehmern Entscheidungsfreiheiten einräumt, um im Gegenzug im Hinblick auf das Risiko des Arbeitsausfalls zu profitieren.