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9. November 2023Lesedauer 2 Minuten

Ungleichbehandlung zwischen Teilzeit - und Vollzeitbeschäftigten im Hinblick auf Mehrvergütung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt in seiner Antwort auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) fest, dass eine Regelung, nach der ein Teilzeitbeschäftigter die gleiche Anzahl an Arbeitsstunden leisten muss wie ein Vollzeitbeschäftigter, um eine erhöhte Vergütung zu erhalten, eine „schlechtere Behandlung“ im Sinne der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit1 darstellt.

 

Der Fall

Der vor dem BAG klagende deutsche Pilot ist in Teilzeit beschäftigt. Die anwendbaren Tarifverträge sehen vor, dass ein über die Grundvergütung hinausgehender Zuschlag geleistet wird, wenn eine bestimmte Zahl an Flugdienststunden überschritten wird. Die Schwellenwerte für die Mehrvergütung sind für vollzeitbeschäftigte und teilzeitbeschäftigte Piloten identisch. Das BAG legte dem EuGH die Frage vor, ob § 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit dahingehend auszulegen ist, dass die Verwendung einheitlicher Schwellenwerte für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung für vergleichbare Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte eine „schlechtere Behandlung“ im Sinne dieser Vorschrift darstellt.

Der EuGH prüfte, ob die Situation beider Arbeitnehmerkategorien vergleichbar sei und die Vorgabe identischer Schwellenwerte für die teilzeitbeschäftigten Piloten gemessen an ihrer Gesamtarbeitszeit eine höhere Belastung darstelle. Beide Aspekte bejahte der Gerichtshof und stellte fest, dass die Teilzeitbeschäftigten die Anspruchsvoraussetzungen für die Mehrvergütung weitaus seltener erfüllen würden. Es läge deshalb eine im Sinne des § 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit „schlechtere Behandlung“ der Teilzeitbeschäftigten im Verhältnis zu den Vollzeitbeschäftigten vor.

Die vom EuGH erkannte Ungleichbehandlung stellt einen Verstoß gegen Unionsrecht sowie gegen § 4 Abs. 1 S. 1 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) dar, es sei denn, sie ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Würdigung solcher Rechtfertigungsgründe unter Auslegung der geltenden Tarifverträge ist jedoch vorliegend Aufgabe des BAG. Die Entscheidung, ob der klagende Pilot für die von ihm erbrachten Mehrflugdiensten eine höhere Vergütung erhält, steht daher noch aus. Wir werden darüber berichten.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH beeinflusst schon jetzt eine Vielzahl von Betriebs- und Tarifvereinbarungen, die identische Schwellenwerte als Anknüpfungspunkt für die Mehrvergütung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten vorsehen. Ob eine unrechtmäßige Ungleichbehandlung im Einzelfall vorliegt, ist wiederum abhängig vom Bestehen etwaiger Rechtfertigungsgründe in der zugrunde liegenden Regelung im Arbeitsvertrag, der Betriebs- oder Tarifvereinbarung.

 


1Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vom 6. Juni 1997 im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit